6. Juni
Eintracht – MSV Duisburg 1:2 (0:0)06.06.1993
46. Spieltag 2. Bundesliga – 1992/93
Der letzte Spieltag der Saison 1992/93 fand in den beiden deutschen Profiligen am Wochenende 5./6. Juni 1993 statt. Jede Menge Entscheidungen standen noch aus. In der 1. Bundesliga musste sich die Meisterschaft zwischen den punktgleichen Mannschaften (2-Punkte-Wertung!) von Werder Bremen (Tordifferenz: +30) und Bayern München (Tordifferenz: +29, aber mehr Treffer) entscheiden. Außerdem standen noch nicht alle UEFA-Cup-Teilnehmer sowie der dritte Absteiger fest. In der 2. Bundesliga war noch offen, wer neben dem SC Freiburg und dem MSV Duisburg als dritte Mannschaft den Aufstieg schaffen würde. Zudem kämpften noch sechs Teams um drei Tabellenplätze, die den Klassenerhalt bedeuteten. Eines dieser Teams war Eintracht Braunschweig. Und die Chancen der 'Löwen' waren nicht die besten!
Die 1. Bundesliga machte am Samstag mit dem 34. Spieltag den Anfang. Den Meister-Titel sicherten sich dabei die Grün-Weißen von der Weser durch ein 3:0 beim Vorjahres-Meister VfB Stuttgart. Bayern blieb durch ein 3:3 bei Schalke 04 Zweiter. Als dritte Mannschaft musste der VfL Bochum den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Das 3:1 gegen den Nachbarn aus der Vorstadt Wattenscheid 09 reichte zum Klassenerhalt nicht aus, da auch der Mitkonkurrent 1.FC Nürnberg (mit 4:1 gegen den Tabellenletzten 1.FC Saarbrücken) gewonnen hatte. Die immerhin 9 Treffer, die der im Winter vom BTSV zum VfL gewechselte Holger Aden für die Bochumer erzielt hatte, konnten den Abstieg also nicht verhindern.
In der 2. Bundesliga wurden die Begegnungen des 46. Spieltags am Sonntag angepfiffen. Eintracht war Tabellen-18. unter 24 Mannschaften. Da sieben Teams absteigen würden, bedeutete Eintrachts Tabellenplatz den Abstiegsplatz Nr.1. Die Blau-Gelben waren jedoch – ebenso wie die Bayern mit Bremen vor dem letzten Spieltag – punktgleich mit dem 17. FC St.Pauli. Nur ein einziger Treffer (-6 zu -7, mehr Tore für Eintracht) trennte die beiden Mannschaften. Zwei Punkte mehr hatten die Stuttgarter Kickers (Tordifferenz: +2), der FC Homburg (-2) und der VfL Wolfsburg (-5) auf dem Konto. Insbesondere der Aufsteiger aus der VW-Stadt war also auch noch 'im Rennen'. Hinter Eintracht hofften die SpVgg Unterhaching (40:50, -12) und der VfL Osnabrück (39:51, -10) auf ihre minimale Chance.
Knapp 15.000 Zuschauer passierten an diesem 6.6.1993 die Tore des Stadions an der Hamburger Straße. Abgesehen von der kleinen Kolonie Gästefans hofften sie auf einen deutlichen Sieg der 'Löwen' gegen den Tabellenzweiten MSV Duisburg, gegen den man im Hinspiel punkten konnte (2:2). Hoffentlich hatten die Westdeutschen ihren seit dem letzten Wochenende feststehenden Aufstieg ausgiebig gefeiert.
Schon nach wenigen Spielminuten war erkennbar, dass die Blau-Gelben den Klassenerhalt mit aller Macht wollten. Sie kämpften um jeden Ball und glichen so manchen Fehlpass oder Stellungsfehler durch energischen Einsatz wieder aus. Ebenso stand nach kurzer Spielzeit aber auch fest, dass der MSV die Punkte nicht freiwillig herschenken würde. Zwar gingen die 'Zebras' nicht mit letztem Einsatz in jeden Zweikampf, sie verteidigten jedoch konzentriert und versuchten immer wieder, ihr eigenes Kombinationsspiel aufzuziehen. So war die Überlegenheit der 'Löwen' lediglich eine optische. Zwingende Chancen wurden nicht herausgespielt. Als der Schiedsrichter zur Halbzeit pfiff, stand es noch 0:0.
Aber wie sah es auf den anderen Plätzen aus? Homburg lag bei Hertha BSC Berlin 0:1 zurück. Gut, aber noch zu wenig! Wolfsburg hatte bei der schon als Absteiger feststehenden Fortuna aus Düsseldorf nach Rückstand durch Holze den Ausgleich zum Halbzeitstand von 1:1 geschossen. Und St.Pauli? Zwischen den Hamburgern und Hannover 96 stand es noch 0:0. Alles war also noch offen. Ein Tor für Eintracht könnte schon reichen, besser wären zwei.
Mit Wiederanpfiff erhöhten die Blau-Gelben den Druck. Und tatsächlich! Die Aktionen wurden zwingender. Dann die 52. Minute! Flache Hereingabe von der linken (Tribünen-) Seite in den Duisburger Strafraum (vor der Nordkurve). Der Ball kommt durch zu Türr, der in Höhe des langen Pfostens an der 5m-Linie lauert. Der Stürmer, den der BTSV als Ersatz für Aden in der Winterpause verpflichtet hatte, muss nur noch den Fuss hinhalten, um den Ball ins leere lange Eck zu befördern. Frank Türr schießt und – vorbei! VORBEI! Wie kann man den vorbei schieben? Diverse Haarbüschel wurden auf den Zuschauerrängen ausgerissen. Aber egal! Weiter geht ´s! Wie steht ´s in Hamburg, Berlin und Düsseldorf? Keine ßnderung?! Gut, also weiter! 'Eintracht, Eintracht!'
Eintracht gab nun alles, erhöhte das Risiko und kam weiter zu Gelegenheiten. Aber keine war so groß wie die von Türr! In der 63. Minute hatte Trainer Maslo ein Einsehen und nahm den erfolglosen Stürmer, der in 20 Einsätzen gerade einmal ein Tor erzielen konnte, vom Platz und brachte für ihn Schweska, ebenso eine Winter-Nachverpflichtung. Ein Tor für die 'Löwen' wollte jedoch einfach nicht fallen, obwohl es längst hochverdient gewesen wäre. In der 74. Minute kam auch noch Butrej für Nedic, der bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Köpper unermüdlich das Spiel angekurbelt hatte. Zu diesem Zeitpunkt stand es am Millerntor auf St.Pauli schon 1:0. Manzi hatte für die Hamburger getroffen (72.). Kurz darauf traf auch noch Wolfsburg zum 2:1 in Düsseldorf (79., Reich). Die Luft für den BTSV wurde immer dünner.
Weil die 'Löwen' nun mehr und mehr die Abwehr vernachlässigten, kam der MSV immer häufiger zu gefährlichen Kontern. Und so kam es, wie es kommen musste. 82.Minute, 0:1! Damit nicht genug! 87.Minute, 0:2! Viele Zuschauer verließen traurig das Stadion. Als das 1:2 durch Pasulko fiel (89.), saßen sie bereits in der Straßenbahn. Aber es änderte ja auch nichts mehr!
Eintracht hatte 1:2 verloren, und die anderen Ergebnisse waren so geblieben. Da Unterhaching sein Heimspiel gegen den FC Remscheid auch gewonnen hatte (3:0), zogen die Münchner Vorstädter noch in der Tabelle vorbei. Die Blau-Gelben beendeten die Saison als 19..
Abstieg! Die Prognose der Sportzeitschrift 'Kicker' zum Abstiegskampf in der 2.Bundesliga im Artikel vom 21.Mai 'Der Kampf ums Überleben' traf damit für Eintracht zu 100 % zu.
Als dritte Mannschaft schaffte der VfB Leipzig den Aufstieg nach Liga 1. Frank Edmond und Jürgen Rische, zwei spätere Blau-Gelbe, hatten erheblich dazu beigetragen. Torschützenkönig in der 2. Bundesliga wurde Reich vom VfL Wolfsburg mit 27 Treffern. Holger Aden belegte in dieser Torjägerliste sogar noch Platz 3, obwohl er den BTSV bereits nach 24 Spieltagen Richtung Bochum verlassen hatte. Es ist sicherlich nicht gewagt zu behaupten, dass Eintracht mit ihm nicht abgestiegen wäre.
Die SpVgg Unterhaching und auch die Okerstädter durften nach Saisonende noch kurzzeitig auf den Klassenerhalt 'am grünen Tisch' hoffen, da die Lizenzen von Dynamo Dresden (1.Bundesliga) und des VfL Wolfsburg nicht gesichert schienen. Die Hoffnungen des BTSV zerschlugen sich allerdings schnell, weil Dynamos Verstöße nicht mit Lizenzentzug, sondern mit Punktabzug für die neue Saison bestraft wurden. Unterhaching dagegen durfte länger und ernsthaft hoffen. Der DFB entzog dem VfL am 22. Juni zunächst die Lizenz wegen wirtschaftlicher Probleme. Grund: Die Wolfsburger hatten einen Posten Werbeeinnahmen in Höhe von 500.000 DM doppelt angesetzt. Knapp zwei Wochen später wurde der Lizenzentzug wieder aufgehoben, nachdem die Wolfsburger (verspätet!) ihre Leistungsfähigkeit nachgewiesen hatten. Der Nachweis dürfte ihnen nicht schwer gefallen sein. Im Verhältnis zu den Millionen-Investitionen von VW in seine Werksmannschaft im neuen Jahrtausend ist eine 6stellige DM-Summe nicht der Rede wert. Peanuts halt! Unterhaching stieg daher – wie Eintracht – ab. Den Münchnern half auch der Umstand nicht, dass der Zweitligaaufsteiger Union Berlin wegen einer gefälschten Bankbürgschaft wieder aus Liga 2 verbannt wurde. Stattdessen stieg TeBe Berlin auf.
Die 'Löwen' mussten nun -- zum zweiten Mal (nach 1987) -- in der Oberliga Nord antreten. Nicht zu fassen eigentlich! Noch 12 Jahre zuvor hatte man mit Werder Bremen zusammen den direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga gefeiert (1981). Und nun war Werder Deutscher Meister und der BTSV in der Drittklassigkeit verschwunden.
Glücklicherweise konnte kein Eintracht-Fan zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass bis zum nächsten Aufstieg in die 2.Bundesliga neun lange Jahre vergehen würden...
Unterhaching übrigens schaffte bereits zwei Jahre später den Wiederaufstieg in Liga 2 und spielte dort drei Jahre lang eine gute Rolle (Saison 95/96: 4.; 96/97: 6.; 97/98: 11.). Im vierten Jahr (1999) gelang als Zweiter sogar der Aufstieg in die 1. Bundesliga. Dort belegte die Spielvereinigung im ersten Jahr einen guten 10. Platz. Highlight für die Münchner Vorstädter war neben dem Klassenerhalt sicherlich das 2:0 am letzten Spieltag gegen Bayer Leverkusen, durch den sie der Werkself die sicher geglaubte Meisterschaft entrissen und den Bayern zuschoben. Am Ende der Saison 00/01 stieg Unterhaching wieder in die 2. Bundesliga ab (16.).