10. Juni
Eintracht – Kickers Offenbach 2:0 (0:0)10.06.1981
2. Aufstiegsspiel zur Bundesliga – 1980/81
Ein Spiel ! Ein einziges Spiel ! Die 43 vorangegangenen zählten nicht mehr !
Ein einziges Spiel musste darüber entscheiden, ob sich die 'Löwen'-Fans später gern an die Saison 1980/81 erinnerten oder frustriert abwinken würden.
Die Begegnung lautete Eintracht Braunschweig gegen Kickers Offenbach und fand am 10.6.1981 im Stadion an der Hamburger Straße statt.
Eintracht war im Sommer 1980 (als abgeschlagener Tabellenletzter) zum zweiten Mal aus der Bundesliga abgestiegen. Die folgende Saison in der 2. Bundesliga Nord war ein ständiger Wechsel zwischen Hoffen und Bangen gewesen. Mindestens den zweiten Tabellenplatz (unter 22 Mannschaften) musste der BTSV erreichen, um eine Chance auf den direkten Wiederaufstieg zu besitzen. Die Meister der beiden 2. Bundesligen stiegen direkt auf, die beiden Zweiten mussten den dritten Aufsteiger in Hin- und Rückspiel ermitteln. Nachdem Tabellenplatz 1 bereits früh an Werder Bremen vergeben war, gelang den Blau-Gelben in einem dramatischen Finale schließlich der Sprung auf Platz 2. Ausschlaggebend war der Sieg am drittletzten Spieltag beim direkten Mitkonkurrenten Hertha BSC Berlin gewesen (4:2).
Nun hieß es, die Entscheidungsspiele gegen den Süd-Zweiten erfolgreich zu bestreiten. Gegner waren die Kickers aus Offenbach, die in der 2. Bundesliga Süd nur Darmstadt 98 den Vortritt lassen mussten. Das Hinspiel fand (am 5.6.1981) in Offenbach statt und endete für Eintracht vor 30.000 Zuschauern, darunter einer stattlichen Anzahl aus dem Harz- und Heideland, mit einer 0:1'Niederlage. Der Sieg der Offenbacher ging insgesamt in Ordnung, weil sie die aktivere Mannschaft waren. Ärgerlich aus Braunschweiger Sicht war allerdings der Zeitpunkt des Gegentores. Es fiel in der 88. Spielminute, damit nur kurz vor dem Abpfiff.
Das Rückspiel in Braunschweig mussten die 'Löwen' also mit mindestens zwei Toren Differenz gewinnen, um aufzusteigen. Ein Sieg mit nur einem Treffer Unterschied würde ein drittes Spiel erforderlich machen, das in Dortmund stattfinden sollte. (Die Auswärtstore-Regelung gab es noch nicht!)
Die Mannschaft von Kickers Offenbach war schon am Vortag angereist und hatte Quartier in Wolfsburg bezogen. Zwei Stunden vor Spielbeginn fuhr der Offenbacher Bus im Stadion ein. Zu diesem Zeitpunkt war schon eine Menge los im und rund ums Eintracht-Stadion. Die Fernseh-Techniker waren damit beschäftigt, die letzten Vorarbeiten für die Live-Übertragung im Deutschen Fernsehen zu erledigen, und die 'Löwen'-Fans begannen bereits, ihre Plätze einzunehmen. Es würde voll werden an diesem Mittwochabend.
34.000 Zuschauer fanden sich schließlich im Stadion-Rund ein.
Sie sahen eine Eintracht-Elf, die mit Worm, Keute und Zavisic drei Stürmer aufbot und auch sofort Druck machte. Zunächst hatten die 'Löwen' aber Glück, dass ein Freistoß des Offenbachers mit der Nummer 4 Michael Kutzop (später Werder Bremen) in der 3. Minute nur den Pfosten traf. Danach häuften sich die Chancen der hochüberlegenen Blau-Gelben. Zavisic-Schuss an die Latte, Keute-Kopfball gehalten, Tripbacher-Hammer vom 16er an die Latte, Keute frei vor dem Tor rechts vorbei. Es war zum Haare-Raufen. Angriff auf Angriff rollte auf das Kickers-Tor zu, nur der Ball wollte nicht über die Linie. So blieb es bis zur Pause beim für die Hessen schmeichelhaften 0:0. Die hatten außer einem weiteren Freistoß von Kutzop kurz vor der Pause, der knapp vorbeiging, rein gar nichts zustande gebracht.
Die Stadionbratwurst schmeckte den Fans des BTSV, die ihre Mannschaft unermüdlich angefeuert hatten, nicht wirklich.
Die zweite Halbzeit war nicht einmal vier Minuten alt, als einem Kickers-Spieler der Ball im Strafraum an die Hand sprang. Elfmeter! Endlich, Daumen drücken, der Ball muss rein, unbedingt! Wolfgang Grobe schnappte sich das Leder, lief an, schoss und traf in die linke Ecke. Tor! 1:0! Hin- und Rückspiel waren nun ausgeglichen!
Der Jubel war noch im vollen Gange, als die 'Löwen' im Mittelfeld den Ball erkämpften und Ronnie Worm auf die Reise schickten. Eintrachts Parade-Stürmer zog auf und davon und spitzelte den Ball an den linken Innenpfosten. Tooooor ! 2:0 ! Doppelschlag ! Das würde reichen ! Party-Stimmung auf den Rängen! Etwa zehn Fans gelang es, auf den Rasen zu stürmen und die jubelnden Eintracht-Spieler zu umarmen. Der Schiedsrichter fand das weniger gut und ließ über den Stadionsprecher Disziplin einfordern. Wen störte es?! Die Fan-Gesänge änderten sich nun. Neben den obligatorischen 'Eintracht, Eintracht'-Rufen war jetzt auch immer häufiger 'Bundesliga, Bundesliga, nun sind wir wieder da' und 'Und wir steigen wieder auf, halleluja' zu hören.
Daran änderte auch der Platzverweis von Kindermann wegen Nachtretens in der 54. Minute zunächst nichts: Die 'Löwen' dominierten unbeeindruckt weiter, standen in der Abwehr sicher und erarbeiteten sich selbst weitere Chancen (Worm, Tripbacher, Merkhoffer). Ein weiterer Treffer gelang jedoch nicht.
Ab der 70. Minute änderte sich das Bild. Kickers Offenbach, angetrieben von Kutzop und dem Spielmacher mit der Nummer 10 Uwe Bein (später Eintracht Frankfurt und Nationalspieler), bekam nun immer mehr Spielanteile und drückte auf den Anschlusstreffer. Drei wirklich gefährliche Situationen hatten die Blau-Gelben, ständig angefeuert von den eigenen Fans ('Kämpft wie die Löwen'), während der verbleibenden Minuten noch zu überstehen: Einen Schuss aus 12, 14 Metern von der rechten Seite, den Franke gerade noch erreichte, so dass der Ball am langen Pfosten vorbeitrudelte. Einen Schuss von Bein und fünf Minuten vor dem Ende eine Doppelchance, bei der wohl auch Eintrachts Torwart machtlos gewesen wäre, wenn der Kickers-Spieler schneller abgezogen hätte. Für Entlastung sorgte in dieser Phase immer wieder Keute, der jeden Befreiungsschlag erlief, sich in jeden Ball haute und dadurch etliche Freistöße für die Blau-Gelben herausholte. Dann war es vollbracht. Der Schiedsrichter pfiff die Begegnung ab.
Eintracht hatte 2:0 gewonnen und den sofortigen Wiederaufstieg in die Bundesliga geschafft!
Tausende von Fans überfluteten den Rasen, um mit der Mannschaft zu feiern. Diese konnte sich abgesehen von der Aussicht, nun wieder gegen die Bayern, den HSV und Köln spielen zu dürfen, über eine Aufstiegsprämie von insgesamt 170.000 DM freuen. An das Geld wird an diesem Tag aber wohl keiner gedacht haben. Feiern war angesagt! Ganz Braunschweig wurde zur Fan-Meile. Die Mannschaft zog im Laufe des Abends noch in die 'Szene'-Gaststätte 'Zum gemütlichen Conny'. Dort setzte sich Präsident Jäcker, wie er das häufiger zu tun pflegte, ans Klavier und spielte 'volkstümliche Lieder'. Nicht unbedingt zeitgemäß und sicherlich auch nicht jedermanns Geschmack – an diesem Abend wird `s egal gewesen sein.
Apropos Jäcker! In einem Fernseh-Interview nach dem Aufstieg sagte Eintrachts Präsident: 'Wir spielen vom ersten Spieltag an gegen den Abstieg. Das ist kein Zweckoptimismus!' Nur gut, dass Jäcker kein Pessimist (gewesen) ist ...
In der Sportpresse wurde Eintrachts Aufstieg als absolut verdient bezeichnet. Der 'Kicker' vom 15.6.1981 (Rainer Holzschuh, heute Chefredakteur [Stand: Juli 2011]) schrieb: 'Mit den Braunschweigern hat sich zweifelsfrei die spielerisch stärkere und taktisch reifere Mannschaft durchgesetzt.'
Und noch etwas schrieb der 'Kicker' in seinem mit der Überschrift 'Publikum siegte mit' versehenen Artikel vom 15.6.: 'Zwei Dinge faszinierten die überparteilichen Zuschauer an diesem zweiten Aufstiegsspiel über alle Maßen. ... und eine Begeisterungsfähigkeit der Zuschauer, wie man sie allenfalls südländischem Publikum, aber nie einem niedersächsischen zugetraut hätte.' Den 'Löwen'-Fans war das zwar nicht neu, aber man las es dennoch gern.
Eintracht stand wieder gut da im Juni 1981. Wieder aufgestiegen in die Bundesliga und dank des Stadionverkaufs an die Stadt im Mai wieder schuldenfrei.