29. September
Rot Weiß Oberhausen – Eintracht 0:1 (0:0)29.09.1972
4. Spieltag Bundesliga – 1972/73
Nun war es endgültig! Eintracht würde seinen überragenden Spielmacher Ulsass nie mehr einsetzen können. Denn „Lotte“, wie ihn alle nannten, war im Sommer 1972 zum Wiener SK gewechselt. Der DFB hatte die 1 ½ Jahre Sperre, die gegen Ulsass im Rahmen des Bundesliga-Skandals verhängt worden war und diesen schon die ganze Vorsaison 1971/72 zum Zuschauen verurteilt hatte, für Wechsel ins Ausland auf 1 Jahr verkürzt. Ulsass ließ sich nicht lange bitten, wechselte nach Österreich und kehrte niemals nach Deutschland zurück.
Zusätzlich hatten den BTSV vor dieser Spielzeit 1972/73 Meister-Torwart Wolter (zu Hertha), die Stürmer Kipp und Skrotzki sowie der ebenfalls gesperrte Lorenz verlassen. Der BTSV hoffte, die Abgänge durch die Neuverpflichtungen von (Ersatz-) Torwart Scherzer, Hellfritz (vom HSV), Mittelfeldmann Alan Michaelsen (FC Nantes) und Stürmer Bent Jensen (Girondins Bordeaux) qualitätsmäßig aufgefangen zu haben.
Zunächst sah es auch danach aus, denn Eintracht wurde im Juli im seiner Intertotorunden-Gruppe Erster und überstand auch die Gruppenphase im erstmalig (und letztmalig) in dieser Form ausgetragenen Liga-Pokal (vor 96, Eintr.Gelsenkirchen, RW Oberhausen) als Sieger. Aber, wie gesagt, das war schon im Juli. Als die Spieler allerdings aus dem – wegen der Olympischen Spiele im eigenen Land vom 26.August bis 11.September in den August verlegten -- Urlaub zurückgekehrt und nach einer 2 ½ wöchigen Vorbereitung am 16. September, so spät wie nie zuvor, in die Saison gestartet waren, kamen langsam Zweifel auf.
Die „Löwen“ starteten nämlich mit 0:6-Punkten (2-Punkte-Wertung) und 0:5-Toren. Dabei tat nicht so sehr die 0:2-Heimniederlage vom 3.Spieltag weh, weil so etwas gegen den deutschen Meister Bayern München immer passieren konnte, sondern die Schlappe zuhause zum Auftakt mit demselben Ergebnis gegen den VfL Bochum. Und mit dem 0:1 beim Aufsteiger Kickers Offenbach zwischendrin war auch nicht unbedingt gerechnet worden.
Da kam der Auswärtsauftritt am Freitag, den 29.9.1972 bei Rot-Weiß Oberhausen gerade recht.
Die Westdeutschen durften wegen ihrer Verwicklung in den Bundesliga-Skandal 1971 nur dank der Gnade des DFB weiter in der Bundesliga spielen, wurden allerdings mit der Hypothek bestraft, dass sie mit minus 5 Punkten starten mussten. Nun waren sie ähnlich erfolglos wie der BTSV gestartet, wiesen ebenfalls 0 Pluspunkte auf, aber mit 1:9 sogar das schlechtere Torverhältnis. Sie hatten sich also die „Rote Laterne“ (hinter Eintracht) doppelt verdient. Zwar waren sie gegen die Blaugelben im Rahmen des Liga-Pokals im Juli in ihrem Heimspiel mit 3:2 siegreich geblieben (in Braunschweig: 4:0 für den BTSV), nur wo sollten die „Löwen“ denn gewinnen, wenn nicht in Oberhausen?
6.000 Zuschauer sahen allerdings in den ersten 60 Minuten nicht etwa eine spielbestimmende Eintracht, sondern eine Heimelf, deren Angriffe permanent auf das Tor der Braunschweiger zurollten. Fast wirkten die Blaugelben ängstlich. -- Nur einer nicht. Torwart Bernd Franke war in überragender Form, hechtete, faustete und fing alles weg, was auf Eintrachts Gehäuse kam. Dennoch hätte Oberhausen bereits zur Pause führen müssen, aber drei Kopfbälle verschiedener RWO-Angreifer waren nicht plaziert genug. So stand es zur Pause noch 0:0. Nach dem Wechsel bot sich den Zuschauern zunächst dasselbe Bild. Rot-Weiß wollte die Partie unbedingt gewinnen, schaffte es aber nicht, an Franke vorbeizukommen. Als Eintracht-Trainer Knefler in Minute 77 gerade das zweite Mal gewechselt hatte, geschah kurz darauf das eigentlich Unfassbare aus Oberhausener Sicht, was einige ihrer Fans veranlasste, ihre Fahnen zu verbrennen. Der gerade für Bründl eigewechselte Däne Jensen kam aus 11m zum Schuss, traf den Ball aber nicht voll, sodass eher eine harmlose Rückgabe daraus wurde. Dennoch ließ der Torhüter Scheid das Leder passieren (78.). Krasser Torwartfehler, Tor! – 0:1! Danach versuchte es die Heimelf zwar noch mit der Brechstange, aber ein Treffer gelang ihnen im immer leerer werdenden Stadion nicht mehr.
Unverdient zwar, aber der BTSV hatte diese Begegnung mit 1:0 gewonnen und sich damit auf den 15.Platz in der Tabelle verbessert. Knefler war es fast peinlich, Glückwünsche für diesen Sieg entgegenzunehmen. Er verwies nur auf die prächtige Leistung seines Torhüters und prognostizierte, dass dieser in einem Jahr die Nummer.2 in der Nationalelf sein werde. Damit hatte er Recht, denn Bernd Franke absolvierte bereits im Frühjahr 1973 seine ersten beiden Länderspiele.
RW Oberhausens Punkteabzug von 5 Punkten wurde zwar kurz vor Weihnachten aufgehoben, aber die Westdeutschen beendeten die Spielzeit dennoch als Letzter und stiegen ab. Zweiter Absteiger war … Eintracht Braunschweig!
Nach 10 Jahren war das der 1.Abstieg des Gründungsmitglieds der Bundesliga.
[Stand: November 2021]