10. Dezember
1. FC Köln – Eintracht 2:2 (0:1)10.12.2012
18. Spieltag 2. Bundesliga – 2012/13
Zum Rückrundenauftakt der Saison 2012/2013 in der 2. Bundesliga musste Eintracht beim 1.FC Köln antreten.
Köln-Reisen machen dem Eintracht-Fan bekanntlich selten Spaß. In 26 Pflichtspielen (20 Punktspiele in der Bundesliga, 2 Punktspiele in der 2. Bundesliga, 4 Pokalspiele) war den „Löwen“ gerade zweimal ein Teilerfolg gelungen (1:1 in der BL 1975/76 und in der 2.BL 2002/03). Siege? Fehlanzeige! Niederlagen? Reichlich! Dennoch fuhr man immer wieder hin. Die Serie musste ja auch irgendwann ´mal reißen. Und diese Saison war sowieso alles anders …!
„Anders“ bedeutete, dass Eintracht als „Herbstmeister“ anreiste. Während der BTSV bereits 40 Punkte auf dem Konto hatte, kamen die Domstädter gerade einmal auf 24 (Tabellenplatz 10). 16 Punkte Rückstand nach 17 Spieltagen!
Der FC war katastrophal in die Saison gestartet. Nach dem 0:1 in Braunschweig zum Start hatte es bis zum 7. Spieltag gedauert, bis dem Bundesliga-Absteiger der erste Sieg gelang. Mit 2 Punkten nach 6 Spieltagen – die Blau-Gelben hatten zu diesem Zeitpunkt schon 16 Punkte – fanden sich die Kölner auf einem direkten Abstiegsrang wieder. Erst danach hatte Trainer Stanislawski sein Team so geformt, dass sich die Erfolge regelmäßig einstellten. Der in der Folgezeit erreichte 2-Punkte-Schnitt und der Umstand, dass der FC nun seit fünf Begegnungen ohne Niederlage (3 Siege, 2 Remis) war, sprachen für sich. Die Aufgabe in Köln würde für Eintracht also nicht so leicht werden, wie man beim bloßen Anschauen der Tabelle vermuten konnte.
Für die „Löwen“ und seine Fans war die ganze Saison bisher eine einzige Erfolgsgeschichte. Angetreten mit dem Ziel, sich (im 2. Jahr nach dem Aufstieg) in der 2. Bundesliga zu etablieren, hatte die Mannschaft Spiel auf Spiel gewonnen. Am Ende der Hinrunde standen 12 Siege, 4 Unentschieden (u.a. 1:1 in den Auswärtsspielen bei 1860 München und beim Bundesliga-Absteiger 1.FC Kaiserslautern) und nur eine Niederlage (1:3 bei Energie Cottbus) zu Buche.
Damit war der BTSV souverän Tabellenführer. Der Vorsprung auf den Zweiten Hertha BSC Berlin betrug 4 Punkte, auf den Dritten 1.FC Kaiserslautern bereits 8 und auf den Vierten Energie Cottbus 12 Punkte. Da Eintrachts Konkurrenten bereits gespielt hatten, als die „Löwen“ in Köln antraten, stand zudem fest, dass die Aufstiegshoffnungen der Okerstädter nach der Begegnung nicht kleiner sein würden. Zwar hatte Hertha beim SC Paderborn 1:0 gewonnen, der Dritte aus ´Lautern musste sich aber bei Union Berlin mit 0:2 geschlagen geben, während Cottbus zu Hause gegen den FC Ingolstadt nicht über ein 1:1 hinausgekommen war. Eine gute Ausgangsbasis für die Partie beim Club mit dem Geißbock im Wappen!
Beide Trainer sprachen vor dem Spiel mit Respekt voneinander. Lieberknecht sagte auf der Pressekonferenz vor der Abreise, dass der FC inzwischen wieder zu stabilen Leistungen gefunden hätte und dass sich seine Spieler „wie kleine Kinder“ auf die Begegnung im Rhein-Energie-Stadion freuen würden. Kölns Stanislawski, der Eintracht vor der Saison als einziger Trainer den Aufstieg zugetraut hatte, sprach von den „Löwen“ als der „mit Abstand besten Mannschaft der 2. Liga“ und dass es für sein Team „eine Ehre“ sei, sich „mit dem Liga-Primus messen zu dürfen“.
Inzwischen hatte auch der Sportsender „Sport 1“ realisiert, dass mit Eintracht in dieser Spielzeit zu rechnen ist und die Begegnung in Köln zum Live-Spiel am Montagabend gemacht. Zum ersten Mal in dieser Saison gab es die Blau-Gelben live im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen. Den blau-gelben Auswärtsfahrern war es ganz Recht, dass es bis zum ersten Montagsspiel so lange gedauert hatte, weil Auswärtsspiele in der Woche meist nur über Urlaubstage oder teilweise überhaupt nicht besucht werden konnten. Die bisher durchgeführten Proteste gegen Fan-unfreundliche Anstoßzeiten hatten nicht gefruchtet und würden wahrscheinlich auch zukünftig nichts bewirken, weil „den Machern“ allein die wirtschaftliche Vermarktung der Ware „Fussball“ am Herzen liegt.
Apropos Fan-Proteste! Der aktuelle Spieltag war der dritte und damit letzte, an dem die Fans bundesweit in den höchsten drei Spielklassen gegen den Entwurf eines neuen Sicherheitskonzeptes der DFL protestierten, indem sie die ersten 12:12 Minuten nach Anpfiff schwiegen. Dieses Konzept sah weitere Schikane-Maßnahmen gegen Fans vor (u.a. Ganzkörperkontrollen nach Gutdünken) und wurde von diversen Politikern vehement gefordert. Niedersachsens damaliger Innenminister Schünemann tat sich dabei besonders hervor. Mit reißerischen Aussagen wie „Wir müssen die Schrauben gegenüber den Vereinen anziehen“ missbrauchte er das Thema für den Wahlkampf in Niedersachsen zur Landtagswahl im Januar 2013. Zwar bekam er die Quittung, verlor seinen Wahlbezirk und rückte auch über die Parteiliste nicht in den Landtag nach, das Sicherheitskonzept „sicheres Stadionerlebnis“ wurde jedoch zwei Tage nach Eintrachts Auftritt in Köln (12.12.2012) von den Vereinen auf der DFL-Versammlung mit großer Mehrheit beschlossen. Müßig zu erwähnen, dass auch hierbei eine noch bessere Vermarktung die treibende Kraft war. Die Herren Dietmar Hopp, Martin Kind und dergleichen dürften sich gefreut haben.
Trotz der Live-Übertragung im Fernsehen fanden sich an diesem 10.12.2012 38.000 Zuschauer im Kölner Stadion ein, unter ihnen deutlich mehr als 2.000 blau-gelb Infizierte. Der Platz war bereits am Tag zuvor von 35 Helfern von seiner Schneedecke befreit worden. Den Rest hatte die Rasenheizung erledigt, sodass das Grün gut bespielbar war. Eintracht musste in der Partie auf Boland verzichten. Ausgerechnet er, der sich als FC Köln-Fan besonders auf das Spiel gefreut hatte, lag zu Hause mit einer fiebrigen Erkältung flach. Dafür hatten die Blau-Gelben ihre „Dauerbrenner“ Davari, Bicakcic, Reichel, Kruppke und Kumbela dabei. Dauerbrenner insofern, da sie alle Spiele der Hinrunde absolviert hatten, die ersten Drei sogar jede Spielminute.
Nach dem Anpfiff von Schiedsrichter Dr. Brych ergab sich zunächst ein verteiltes Spiel. Beide Teams waren in den ersten 20 Minuten gleichwertig und spielten mutig nach vorn. Die größte Gelegenheit hatten dabei die „Löwen“. In der 6.Spielminute tauchte Kumbela nach Kopfball-Vorlage seines Sturmpartners Ademi frei vor dem Kölner Torhüter Horn auf, verzog aber knapp. In Minute 23 machte er es besser. Nach einer Flanke von Kruppke hob der Kongolese das Leder mit rechts über Horn hinweg elegant ins Tor. Ein Tor der Marke „Tor des Monats“, bereits sein 9.Saisontreffer! 0:1! Riesen-Freude im Gäste-Block. „Spitzenreiter, Spitzenreiter!“-Rufe. Von den Kölner Fans kam vorübergehend gar nichts mehr. Das änderte sich kurze Zeit später wieder, weil die Domstädter nun die Initiative ergriffen und auch zu Chancen kamen. Bröker (26. Pfosten, 32.) und Ujah (36.) schafften es aber nicht, den Ball im Tor unterzubringen. So blieb es bis zur Pause bei der knappen Führung für den zwar nicht besseren, aber effektiveren BTSV.
Die 2. Hälfte hatte kaum angefangen, als sich der Kölner Clemens mit dem Ball aufmachte, noch 20m lief und dann aus gehöriger Entfernung abzog. Die Bogenlampe senkte sich und fiel hinter Davari ins Netz (47.). 1:1 – alles wieder offen! Vom Ausgleich beflügelt machte der FC weiter das Spiel, blieb mit Ausnahme einer nicht genutzten Chance von Ishak (58.) aber weitgehend ungefährlich. Nach etwa 65 Minuten befreiten sich die „Löwen“ langsam vom Druck und gestalteten das Spiel wieder ausgeglichen. Die nächste Chance hatte dennoch wieder der FC. Bröker vergab (73.). In der 77. Spielminute konterte Eintracht über Kumbela und Ademi, der im Strafraum noch Gegenspieler Maroh aussteigen lassen wollte. Maroh ließ das Bein stehen, Ademi fiel und Dr.Brych pfiff – Elfmeter!
Elfmeeeter! Aufregung bei den Eintracht-Fans! Und Vorfreude! Wurde man tatsächlich Zeuge eines historischen Ereignisses, eines Sieges beim großen 1.FC Köln? Wer würde schießen? Ein sicheres Tor war das noch nicht, denn 4 von 6 Elfern seit dem Zweitliga-Aufstieg 2011 hatten die „Löwen“ verschossen. Aber Pfitzner, der für Vrancic eingewechselt worden war (68.), schnappte sich den Ball. ´Jawoll, richtig, „Pfitze“ hatte schon den Elfer bei Union am 2. Spieltag verwandelt, „Pfitze“ würde es schon richten!´ Pfitzner lief an und … Torwart Horn hielt den schwach getretenen Ball ohne Mühe. Mann, oh Mann!
Zum Ärgern blieb den Eintracht-Fans kaum Zeit, denn nun war Zittern angesagt. Der 1.FC Köln drehte auf und wollte unbedingt den Sieg. ´Jungs, sichert wenigstens den einen Punkt!´ Die Chancen der Rheinländer durch Roger (80.) und Jajalo (84.) überstanden die Blau-Gelben noch unbeschadet, in der 88.Minute war es dann aber doch geschehen. Bei einer Kölner Ecke drückte FC-Stürmer Ujah Bicakcic leicht weg, Davari ging zunächst raus, dann wieder zurück, Ujah köpfte und der Ball flog … ins Eintracht-Tor. 2:1 für den Gastgeber, den 1.FC Köln! Riesen-Jubel beim Kölner Anhang und beim Kölner Trainer. Stanislawski kriegte sich kaum ein, raste über den Platz und schwenkte seine Mütze wie verrückt.
Natürlich, es war wie immer! Fährst Du als Eintracht-Fan zum 1.FC Köln, kannst Du führen so hoch, wie Du willst – am Ende gewinnt immer der FC!
Nach etwas mehr als 89 Minuten durften die Blau-Gelben endlich wieder anstoßen. Die angezeigte Nachspielzeit betrug drei Minuten. Der FC nahm erst einmal etwas Zeit von der Uhr, indem er den Torschützen Ujah gegen Strobl auswechselte. In der 91. Minute holten die Blau-Gelben tatsächlich noch einen Eckball heraus. Man merkte, die Mannschaft hatte sich nicht aufgegeben. Selbst Davari eilte nun mit nach vorn. Die Fans der „Löwen“ ließen sich nicht lange bitten und feuerten ihr Team wie verrückt an. Vielleicht ging doch noch ´was! Theuerkauf, der wie Kruppke seinen Vertrag gerade wenige Tage vor dem Spiel um 2 Jahre bis 2015 verlängert hatte, brachte den Ball herein. Am 5mRaum entstand eine unübersichtliche Situation, bei der der Ball von Bröker zu Bicakcic prallte. „Eisen-Ermin“ zögerte nicht lange und beförderte die Kugel ins Tor. Tor nach 91:55min! 2:2!
Tooooooooooor! Die Eintracht-Fans -- ganz egal, ob sie im Unterrang standen oder im Oberrang saßen – flippten völlig aus. Und nicht nur sie! Nun raste Trainer Lieberknecht über den Platz und schwenkte seine Mütze -- eine Retourkutsche, wie er später zugab. Bicakcic hatte derweil die Eckfahne geboxt.
Natürlich tat sich danach auf dem Spielfeld nichts mehr. Endstand: 2:2!
In der anschließenden Pressekonferenz sprach Lieberknecht von einem „gefühlten Sieg“ und prognostizierte, dass der FC noch um den Aufstieg mitspielen werde. Stanislawski hatte ein gutes Zweitliga-Spiel gesehen und glaubte weiterhin an Eintrachts Aufstieg. -- Beide behielten Recht. Der FC Köln kletterte zwischenzeitlich bis auf den 3. Tabellenplatz und Eintracht stieg (als Vizemeister) in die Bundesliga auf. [Stand: November 2014]