9. Juni
Unerwarteter Abstieg unter ominösen Umständen09.06.1973
Eintracht – Fortuna Düsseldorf 1:2 (1:1)
34. Spieltag Bundesliga – 1972/73
So einfach war es also doch nicht, wie sich das die Fans von Eintracht Braunschweig nach dem 3:2-Sieg am 32.Spieltag der Bundesliga-Saison 1972/73 gedacht hatten. Die meisten von ihnen und wohl auch die sog. Fußballexperten gingen nach dem doppelten Punktgewinn (2-Punkte-Wertung) gegen die „Roten“ davon aus, dass der Abstieg für die „Löwen“ kein Thema mehr sei. Immerhin standen 3 Vereine schlechter da als der BTSV mit 25:39-Punkten (-19 Tore), und das bei nur 2 Absteigern. Mit Schalke, das einen Punkt weniger auf der Haben-Seite hatte (24:40, -18 Tore), war zwar noch zu rechnen, aber Oberhausen war bereits abgestiegen (19:45) und Hannover lag nach der Niederlage in Braunschweig gefühlt hoffnungslos drei Punkte zurück (22:42, -22 Tore). Drei Punkte, geschweige denn vier, würden die 96er bei den zuletzt gezeigten Leistungen und angesichts des Restprogramms sicherlich nicht mehr holen. Außerdem konnte Eintracht selbst noch 2x punkten.
Zumindest die Hoffnung in der Oker-Metropole, dass der Abstiegskampf bereits am 33.Spieltag entschieden sein würde, erfüllte sich nicht. Eintracht war chancenlos in Kaiserslautern und verlor glatt mit 0:3, Schalke gewann überraschend beim MSV Duisburg 1:0 und 96 gegen Hertha BSC mit 2:0. Den Hannoveranern half dabei die Tatsache, dass der Führungstreffer gegen die Herthaner, die erst in der Woche zuvor den Klassenerhalt feiern konnten, bereits in der 1.Minute fiel. Nun standen die Blaugelben also auf Platz 16 einen Punkt hinter Schalke und nur 1 Pünktchen vor Hannover, dazu noch mit dem schlechtesten Torverhältnis.
Aber es gab ja noch die Chance, mit einem Sieg gegen den Tabellenvierten Fortuna Düsseldorf am letzten Spieltag den Abstieg aus eigener Kraft zu verhindern. Außerdem musste Hannover 96 beim starken Aufsteiger Wuppertaler SV antreten, gegen den Eintracht 2x verloren hatte und der auf dem 3.Rang der Tabelle stand. Ein Punktgewinn der „Roten“ war also wenig wahrscheinlich.
Ca. 20.000 Zuschauer pilgerten an diesem 9.6.1973 ins Stadion an der Hamburger Straße, um zu sehen, wie der Abstiegskampf ausgeht. Die meisten von ihnen wollten an diesem Samstag natürlich den Klassenerhalt der „Löwen“ bejubeln.
Trainer Knefler bot folgende Elf auf, die die Aufgabe bewältigen sollte: Franke – Grzyb Häbermann, Kaack, Merkhoffer – Hellfritz, Haun, Gersdorff – Konschal, Bründl, Erler.
Bereits in den ersten Minuten nach dem Anpfiff durch Schiedsrichter Betz (Regensburg) zeigte sich, dass die Fortunen nicht willens waren, die Punkte herzuschenken. Zu konzentriert wehrten sie die Angriffe der Blaugelben ab. Damit nicht genug! Auch offensiv setzten sie Ausrufezeichen und gingen in der 19.Minute durch Zewe mit einem Schuss ins Dreieck in Führung. Der BTSV reagierte mit wütenden Angriffen, von denen einer den Ausgleich brachte. Bründl erzielte das 1:1 (23.). Auch danach griffen die „Löwen“ weiter an, fanden jedoch keine Lücke mehr in der weiterhin stabilen Abwehr der Gäste. So fiel bis zur Pause kein Treffer mehr.
Spätestens in der Halbzeit erfuhren sie, dass Hannover in Wuppertal 2:0 führte, was die Nerven nicht gerade beruhigte. ‚Wie konnte das sein?‘ Im Spiel Schalke gegen den HSV waren noch keine Tore gefallen. Den nächsten Nackenschlag bekamen die „Löwen“, als Gersdorffs Versuch, seine Mannschaft in Führung zu bringen, Anfang der 2.Halbzeit nicht im Tor, sondern am Pfosten landete. Und als ob das nicht schon genug Pech gewesen wäre, ging Fortuna durch Budde per Kopf in der 64.Minute nach einem sauber ausgespielten Konter erneut in Führung. Als dann noch der Treffer des (für Konschal in der 55.Minute) eingewechselten Jaro Deppe nicht zählte, weil der Schiedsrichter vorher das Foul eines Einträchlers gepfiffen hatte (76.), erlahmte der Angriffselan des BTSV, weil zudem auch keine positiven Nachrichten von den anderen Plätzen vermeldet wurden. – Im Gegenteil! Die Köpfe gingen runter, und die Blaugelben auf dem Platz glaubten selbst nicht mehr an die Rettung. Es fiel kein Tor mehr. Das Spiel endete 1:2.
Eintracht war damit abgestiegen, weil Schalke gegen die – in dieser Saison schwachen – Hamburger noch 2:0 niedergerungen und Hannover 96 in Wuppertal 4:0 (!!) gewonnen hatte.
Besonders die Art des Sieges der „Roten“ gab zu Stirnrunzeln Anlass. 96 gewann nicht etwa glücklich gegen die Wuppertaler, die vorher schon ihre Teilnahme am UEFA-Pokal sicher hatten, sondern auch in der Höhe total verdient. Die Spielberichte waren sich diesbezüglich einig. In der „Bundesliga Chronik 1972/73“ (erschienen im Agon-Sportverlag, 2008) heißt es beispielsweise: „…Die 96er beherrschten den WSV weiterhin nach Belieben und erspielten sich in schöner Regelmäßigkeit weitere Chancen. …“ War das das Leistungsvermögen einer Mannschaft, die die letzten beiden Auswärtspartien bei den Absteigern RWO (0:1, 30.SpT) und dem BTSV (2:3) verloren hatte? War da alles mit rechten Dingen zugegangen? Tatsache ist jedenfalls, dass der DFB in Hinblick auf die WM im eigenen Land im nächsten Jahr einen neuen Bundesliga-Skandal nicht gebrauchen konnte. Ta6tsache ist aber ebenfalls, dass sich in mehreren Fachbüchern einige Autoren kritisch mit dem Erfolg der Hannoveraner in Wuppertal auseinandersetzen. So heißt es beispielsweise im „Jahrbuch des Fußballs 73/74“, erschienen im Copress-Verlag, München 1974, auf Seite 265: „Hannover hatte 1973 durch einen bis heute vielerorts als ominös empfundenen 4:0-Erfolg in Wuppertal für den Abstieg der Braunschweiger gesorgt.“
Wie dem auch sei! Tatsache ist auch, dass Eintracht Braunschweig nach nur einer Spielzeit 1974 in die Bundesliga zurückkehrte. Mit Hannover mussten sich die „Löwen“ dort nicht mehr auseinandersetzen, weil 96 als Tabellenletzter abgestiegen war. Bis 1987 spielte 96 danach nur noch ein einziges Jahr in der Bundesliga. Wuppertal hatte sich am letzten Spieltag der Saison 1973/74 noch auf Platz 16 retten können, stieg aber im Jahr danach (1975) als Achtzehnter unter 18 Vereinen ab.
Gerechtigkeit?!
[Stand: Dezember 2021]