31. Mai
Eintracht - Borussia Dortmund II 2:0 (0:0)31.05.2008
38. Spieltag Regionalliga Nord - 2007/08
Im letzten Spiel der Saison 2007/2008 empfing Eintracht am 31.5.2008 die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund.
Eintracht war zu diesem Zeitpunkt Elfter, die Borussen Dreizehnter der Tabelle unter 19 Mannschaften der Regionalliga Nord. Ein langweiliger Saisonausklang ohne jegliche Brisanz, sollte man meinen. Weit gefehlt ! Das Stadion an der Hamburger Straße war mit 21.850 Zuschauern ausverkauft !
Worin also bestand das große Interesse der Eintracht-Fans an diesem Spiel?
Der DFB hatte am 8.9.2006 beschlossen, aus der zweigeteilten Regionalliga (mit den Staffeln Nord und Süd) ab Beginn der Saison 2008/2009 eine eingleisige dritte Profiliga, die sog. 3. Liga, hervorgehen zu lassen. Für die 3. Liga sollten alle Mannschaften qualifiziert sein, die in den Abschlusstabellen der beiden Regionalligen der Saison 2007/2008 mindestens den 10. Tabellenplatz erreicht hatten.
Die "Löwen", gerade aus der 2. Bundesliga abgestiegen, waren sehr optimistisch, dieses Ziel zu erreichen. Es war ihnen frühzeitig gelungen, den renommierten Trainer Benno Möhlmann zu verpflichten, der bereits in der Saison 1996/97 erfolgreich in Braunschweig gearbeitet hatte. Dieser wiederum hatte etwa ein Dutzend neue Spieler zur Eintracht geholt. Die Mischung aus hoffnungsvollen Talenten und gestandenen Profis schien zu stimmen. Insgeheim hoffte man in Braunschweig sogar auf den direkten Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga. Die Tatsache, dass man in der Vorbereitung beim Sparkassen-Supercup, einem Turnier in Hannover mit Spielen von 45 Minuten Dauer, den Bundesligisten Hannover 96 mit 1:0 bezwungen hatte, gab dieser Hoffnung weitere Nahrung.
Die Saison jedoch begann katastrophal. Nach gespielten sieben Begegnungen waren die Blau-Gelben mit gerade 2 gewonnenen Pünktchen Tabellenletzter. Nach Ende der Hinrunde hatte Eintracht 4 Spiele gewonnen, 7x Unentschieden gespielt und 7 Spiele verloren. Individuelle Fehler und verschossene Elfmeter hatten dazu beigetragen, dass der Rückstand auf den 10. Tabellenplatz bereits 9 Punkte betrug. Zudem bestätigte sich immer mehr der Eindruck, dass der Zusammenhalt in der Mannschaft nicht besonders groß war.
Die Rückrunde verlief zunächst erfreulicher. Bei den ersten sechs Spielen gab es fünf Siege und ein Unentschieden. Der Abstand zum rettenden 10. Platz schmolz auf nur noch 1 Punkt zusammen. Da von den folgenden acht Spielen aber nur zwei weitere gewonnen wurden, konnte die Aufholjagd nicht erfolgreich fortgesetzt werden. Am 35. Spieltag, dem viertletzten, verlor die Eintracht nach einer desolaten Leistung bei Rot-Weiß Oberhausen, dem späteren Aufsteiger in die 2. Bundesliga, mit 0:2. Die "Braunschweiger Zeitung" titelte: "Schwache Eintracht taumelt dem Abstieg entgegen". In der Tat gab es nun kaum noch etwas, das die Fans auf eine erfolgreiche Qualifikation für die 3. Liga hoffen ließ. Die eklatanten individuellen Fehler waren immer noch nicht abgestellt. Tabellenplatz 10 war 2 Plätze entfernt. Zudem gelang es den Blau-Gelben viel zu selten, eine Führung in einen Sieg zu verwandeln. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man in insgesamt 11 (!) Spielen eine (teilweise mehrfache) Führung hergeschenkt.
Trainer Möhlmann gab auf und trat zurück. Der A-Jugend-Trainer Lieberknecht, der von 2003 bis 2007 selbst das blau-gelbe Trikot trug, übernahm für die letzten drei Spiele. Auch er schien keinen Erfolg zu haben. Gegen den Tabellendritten, die Fortuna aus Düsseldorf, spielte die Eintracht nur 1:1, obwohl sie auch in diesem Spiel in Führung gegangen war. Im vorletzten Spiel aber gelang bei Rot-Weiß Ahlen ein 1:0"Sieg (Tor: Nastase). Die "Löwen" profitierten sicherlich auch davon, dass den Ahlenern am Spieltag zuvor der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelungen war und die Spieler mehr in Feierlaune als in Spiellaune waren.
Vor dem letzten Spieltag stellte sich die Tabellensituation nun wie folgt dar:

9. Kickers Emden 53 Punkte +4 Tore
10. Rot-Weiß Essen 51 Punkte +7 Tore
11. Eintracht 50 Punkte +3 Tore
12. 1.FC Magdeburg 50 Punkte +1 Tore
13. Bor. Dortmund 2 48 Punkte 0 Tore

Die Chancen für die Blau-Gelben standen also weiterhin schlecht!
Eintracht musste sein Heimspiel gegen Dortmund II gewinnen und zusätzlich auf einen Ausrutscher von Emden oder Essen hoffen.



Die Dortmunder, die bis zum 35. Spieltag immer auf einem Qualifikationsplatz standen, hatten selbst keine Chance mehr auf den 10. Platz. Ein Sieg für die Blau-Gelben sollte daher möglich sein. Ein Ausrutscher von Emden oder Essen erschien jedoch unrealistisch. Den Kickers reichte beim Tabellenletzten VfL Wolfsburg II bereits ein Unentschieden und Rot-Weiß Essen empfing im Heimspiel den abgeschlagen auf Platz 16 liegenden VfB Lübeck. Da die Essener den 10. Tabellenplatz gerade erst (erstmalig in der Saison!) erreicht hatten, würden sie sich die Chance, die Qualifikation mit einem Sieg abzusichern, kaum noch entgehen lassen.
Allerdings hatten die Marzipanstädter 25 Tage zuvor beim 3:3 auch in Braunschweig gepunktet ...
Das Präsidium der Eintracht hatte im Vorwort des Magazins "Eintracht aktuell" geschrieben: "Wir alle können hier, am heutigen Samstag und Saisonfinale, Zeuge eines blau-gelben Fussballwunders werden ..."



Auf dieses Wunder hofften wohl alle, die das Stadion um 13.30 Uhr bis auf den letzten Platz gefüllt hatten -- die Optimisten, die noch an die erfolgreiche Qualifikation für die 3. Liga glaubten, und auch die, die den bitteren Gang in die Viertklassigkeit als die realistische Möglichkeit ansahen und diesen aus Fantreue gemeinsam mit dem Verein antreten wollten.
Eintracht versuchte von Beginn an, Druck zu machen. Bis zur Pause sprangen jedoch nur wenige zwingende Möglichkeiten heraus, sodass das Zwischenergebnis von 0:0 in Ordnung ging. In Essen und in Wolfsburg waren ebenfalls noch keine Tore gefallen. Die Hoffnung blieb!
In der zweiten Halbzeit spielten die "Löwen" in Richtung Südkurve, in Richtung Fans. Das schien zu beflügeln. Die gefährlichen Szenen vor dem Dortmunder Tor häuften sich. Nach knapp einer Stunde gelang durch einen verwandelten Elfmeter von Nastase (nach einem Foul an Kumbela) die verdiente Führung. [siehe Bild unten; alle 3 Bilder von B.Grimm]



Fast im Gegenzug musste Eintrachts Torhüter (beim letztlich einzigen gefährlichen Angriff der Dortmunder) mit einer Parade den Ausgleich verhindern. Und wie stand es in Essen? Da keine anderen Infos kamen, wohl immer noch 0:0. Das bedeutete, Eintracht stand zu diesem Zeitpunkt (erstmalig in der Saison) auf Platz 10 der Tabelle! Was zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts bedeutete.
In der Folgezeit erspielte sich Eintracht weitere Chancen, bis Kumbela knapp 10 Minuten vor Schluss das 2:0 gelang. Bei diesem Tor rollte der Ball vom rechten Pfosten gemächlich ins Tor der Dortmunder und nicht wieder ins Feld zurück. War das ein Zeichen? Sollte Eintracht tatsächlich ...? Zumindest gab es immer noch keine Meldungen über ein gefallenes Tor in Essen. Die Spannung wuchs!
Etwa fünf Minuten später stimmten Block 5 / Block 6 den Gesang "1-0 für Lübeck, wir singen 1-0 für Lübeck" an. Sollte das stimmen? Die Handys glühten! Tatsächlich! Der VfB Lübeck war wenige Minuten vor Schluss bei Rot-Weiß Essen in Führung gegangen!
Der Rest war Warten! Eintracht brachte das Spiel mit 2:0 nach Hause, wobei beide Tore im Übrigen von Spielern erzielt worden waren, die erst in der Winterpause verpflichtet wurden. Danach wartete die Mannschaft auf dem Rasen und die Fans auf den Rängen auf die Endergebnisse von den anderen Plätzen. Etwa fünf Minuten später war das Wunder wahrgeworden: Lübeck hatte in Essen 1:0 gewonnen! Da spielte es keine Rolle, dass Emden das 0:0 gehalten hatte und die Magdeburger 2:1 in Wuppertal gewonnen hatten. Eintracht war in der 3. Liga!! Eine verkorkste Saison war in letzter Minute zum Guten gewendet worden.
Nach dem Happy-End spielten sich die in Braunschweig schon aus den Jahren 2002 und 2005 bekannten Szenen ab. Die Fans stürmten den Rasen, feierten und besorgten sich Souvenirs, indem sie Rasenstücke (insbesondere vom Elfmeterpunkt) ausgruben. Die Feiern verlagerten sich mit zunehmender Tageszeit wieder in die Innenstadt. Es wird – bei schönem Wetter -- wohl wieder einer dieser Abende geworden sein, an dem die Gastwirte den Umsatz gemacht haben, für den sie sonst eine ganze Woche brauchen.