29. Juli
rechter Außenverteidiger Wolfgang Grzyb29.07.1940
Ein Löwengeburtstag
Wolfgang Grzyb wurde am 29.7.1940 in Berlin-Spandau geboren.
Bevor der 1,69m große Außenstürmer für Eintracht die Fußballschuhe schnürte, hatte er das schon für eine Handvoll anderer Vereine getan. Los ging es für ihn in Hopfenfelde (bei Witzenhausen), bevor er 1955 beim TSV Kaierde (bei Alfeld) spielte. Es folgten DSC Dellingsen, Wenzen und – für den inzwischen gelernten Schmid – ab 1962 FC Alfeld. Während seiner Wehrdienstzeit lernte er den in Eintrachts Amateurmannschaft kickenden Wolf-Rüdiger Krause kennen und schloss sich diesem schließlich 1964 an.
Im Sommer 1965 erhielt er dann schon einen Lizenzspieler-Vertrag bei den „Löwen“ – nach eigener Aussage für 450 DM monatlich. Das erste Profi-Jahr verging allerdings ohne einen einzigen Einsatz in der 1.Mannschaft. Das sollte sich in der Spielzeit 1966/67, ausgerechnet der Meister-Saison, schlagartig ändern. „Schippi“, wie er allgemein genannt wurde, hatte sich durch diverse Einsätze für Niedersachsen im Länderpokal einschließlich Finale ins Rampenlicht gespielt. Das blieb auch Löwen-Dompteur Johannsen nicht verborgen und so stellten die Partien für Niedersachsen für den Rechtsaußen mit der Schuhgröße 41 das Sprungbrett in die Bundesliga dar.
Wolfgang Grzyb gehörte jetzt fest zum Kader und wurde vom Trainer fast ausschließlich dann in der Bundesliga eingesetzt, wenn Eintrachts Nationalstürmer Rechtsaußen Klaus Gerwien verletzt ausfiel bzw. noch größere Defizite hatte. Und das war bereits am 5.Spieltag der Fall. Gerwien wurde am 4.Spieltag in Frankfurt verletzt und die Chance für Grzyb, der seine Beidfüßigkeit als größte Stärke beschrieb, war da. Beim 2:1-Auswärtssieg beim VfB Stuttgart erlebte er sein Debüt. 14 Bundesliga-Spiele in der Meister-Saison und ein Pokalspiel sollten folgen. Dabei erzielte Schippi zwei Tore: Das erste am 17.Spieltag beim 4:0 beim 1.FC Nürnberg, was Eintracht die Herbstmeisterschaft bescherte, und das zweite am 21.Spieltag beim 3:0 im Spitzenspiel gegen die Frankfurter Eintracht, wo die Blaugelben einen Mitbewerber um die Deutsche Meisterschaft förmlich vom Platz schossen. Wolfgang Grzyb hat sich damit als vollwertiges Mitglied der Meister-Mannschaft erwiesen und für die Eintracht-Gemeinde unsterblich gemacht.
Logischerweise wurde das Gehalt von Grzyb nach dem Titelgewinn angepasst, er erhielt nun laut eigenem Bekunden 1.300 DM monatlich. Aber nicht nur der Verein brachte dem Rechtsaußen gegenüber gestiegene Wertschätzung zum Ausdruck, sondern auch sein Trainer. Johannsen schätzte die Fähigkeiten und Leistungen von Grzyb so hoch ein, dass er ihn nun nicht mehr als Vertretung für einen anderen ausgefallenen Stürmer einsetzte, sondern unabhängig davon. So kam Wolfgang kurioserweise schon in der Spielzeit 1967/68 auf die meisten Einsätze aller Eintracht-Stürmer, nämlich 31 (1 Tor / + 4x Pokal). Die Highlights der Saison waren aus Sicht der Spieler – zumal es in der Bundesliga mit Platz 9 am Ende relativ enttäuschend lief -- sicherlich die internationalen Einsätze im Europapokal der Landesmeister gegen Rapid Wien und Juventus Turin. Und für Grzyb garantiert das Rückspiel gegen Rapid. Eintracht hatte das Hinspiel in Wien mit 0:1 verloren, musste also das Rückspiel mit zwei Toren Unterschied gewinnen, um ins Viertelfinale einzuziehen. Nachdem Saborowski die „Löwen“ mit 1:0 in Führung geschossen hatte, gelang Grzyb vor 32.000 Zuschauern im Eintracht-Stadion das 2:0. So hieß es auch bei Abpfiff. In den übrigen vier Spielen im Europacup stand er auch auf dem Platz.
Die Spielzeit 1968/69 hielt eine Überraschung für alle Fans des BTSV bereit, denn Schippi lief jetzt nicht mehr im Sturm auf, sondern als rechter Außenverteidiger. Johannsen hatte ihn umfunktioniert, und diese neue Position sollte ihm bis zu seinem Karriereende erhalten bleiben. Er war deswegen allerdings nicht weniger gefragt und kam in 33 Punktspielen (+ 2x Pok) zum Einsatz. Er erzielte dabei zwei Tore, das zweite am 33.Spieltag beim 3:3 gegen Hannover 96. Während Eintracht die Saison auf einem sehr guten 4.Platz der Bundesliga-Tabelle abschloss, lernte Wolfgang in der folgenden Spielzeit 1969/70 bei Eintracht das erste Mal so etwas wie Abstiegskampf kennen. Die „Löwen“ standen nach dem 34.Spieltag schließlich noch auf einem für den Klassenerhalt gerade noch ausreichenden 16.Platz. Das hielt den Außenverteidiger aber nicht davon ab, in seinen 28 Einsätzen (+ 1x Pok) die persönliche Rekordzahl von 4 Toren zu erzielen und dabei seine Serie mit Toren gegen 95+1 fortzusetzen (am 19.SpT beim 2:0-Sieg).
Die Saison 1970/71 unter dem neuen Trainer Knefler lief für den BTSV mit Platz 4 wieder sehr erfolgreich. Dieses Mal gab es für diesen Platz nicht nur die „goldene Ananas“ (oder ein goldenes Steak á la Ribery), sondern eine Startberechtigung im neu geschaffenen UEFA-Pokal. Für Grzyb, der in diesen Jahren nebenbei in einem Sportartikel-Kaufhaus arbeitete, liefen die zwölf Monate auch annähernd optimal, was sich in 34 Einsätzen, also allen Spielen (+ 1xPok), und drei Toren widerspiegelte. Man kann darüber streiten, ob sein drittes Tor, erzielt am 34.Spieltag beim 1:1 gegen RW Oberhausen, nicht besser nicht gefallen wäre, denn an diesem Spiel entzündete sich für den BTSV der Bundesliga-Skandal. Hätte Eintracht verloren, wäre Max Lorenz nicht zum Flughafen Waggum gerast, um dem Mittelsmann von Arminia Bielefeld die 40.000DM abzuschwatzen, und er selbst und vor allem Lothar Ulsaß wären möglicherweise nicht gesperrt worden. …
Wie dem auch sei: Ulsaß und Lorenz wurden gesperrt und spielten danach nie wieder in Blaugelb. Die Schwächung merkte man der Mannschaft in der Fölgesaison 1971/72 mit Platz 12 in der Bundesliga an, nicht jedoch im UEFA-Cup. Als einziger deutscher Vertreter gelang den „Löwen“ nach Siegen über Glentoran Belfast und Atletico Bilbao der Sprung ins Achtelfinale. Gegen Ferenzvaros Budapest war dann allerdings „Endstation“. Schippi war in 33 Punktspielen (2Tore), 3 Pokalspielen (1T) und 5 UEFA-Cup-Spielen (0) dabei..
Am Ende der Saison 1972/73 stand der Abstieg aus der Bundesliga. Auch wenn sich angekündigt hatte, dass der BTSV ohne seinen überragenden Spielmacher Ulsaß nicht mehr die Qualität wie zuvor hatte, kam Platz 17 letztendlich unerwartet. Auch Grzyb als verlässlicher Rechtsverteidiger (34Sp/0T, 6x Pok) hatte daran nichts ändern können, erklärte aber – wie fast alle Mannschaftskameraden – die Bereitschaft, den „Schaden“ selbst zu reparieren. Und das gelang überzeugend. Eintracht marschierte förmlich durch die Regonalliga Nord, erzielte in den 36 Spielen, jedes Mal mit Grzyb, 102 Tore (Grzyb: 7; 1x PokSp) und setzte sich auch knapp in der Aufstiegsrunde durch (8 Spiele). Wolfgang war auch dort in jedem Spiel dabei.
Mit der Rückkehr in die Bundesliga im Sommer 1974 und mit dem neuen Trainer Zebec begann für den Außenverteidiger die erfolgreichste Zeit nach der Deutschen Meisterschaft. Zebec formte eine sehr gute Mannschaft aus Spielern wie Popivoda, Wolfgang Frank, Gersdorff, Franke, Ristic, Handschuh u.a. und modernisierte die Spielweise. Zwar war der Erfolg nicht sofort in der Abschlusstabelle der Saison 1974/75 ablesbar – Eintracht wurde Neunter --, aber Ergebnisse wie 5:0 gegen TeBe Berlin, 4:1 gegen MSV Duisburg, 3:1 gegen Bayern und 6:0 gegen VfB Stuttgart sagten für einen Aufsteiger genug. Grzyb war auch unter dem neuen Trainer Stammspieler und kam in 33 Bundesliga-Partien (+3x Pokal mit 1 Tor) zum Einsatz. Er erzielte dabei 3 Tore, eins davon beim 6:0 gegen den VfB, das bis heute mit einer anderen Partie (s.u.) den Rekordsieg für ein Heimspiel in der Bundesliga darstellt.
In den nächsten beiden Spielzeiten 1975/76 und 1976/77 trug Zebec´ Arbeit auch in der Tabelle sichtbare Früchte. Der BTSV wurde Fünfter und Dritter und schrammte 1977 haarscharf an der 2. Deutschen Meisterschaft vorbei. Für viele Insider war das und nicht die Meister-Elf die beste Eintracht-Mannschaft aller Zeiten. Grzyb war mittendrin mit seinen je 30 Einsätzen und je 1 Tor (Pokal: 4x, 1Tor und 2x, 0). Wie sehr „mittendrin“ Schippi war, wurde u.a. am 30.8.1975 deutlich. Im Punktspiel gegen Werder Bremen (3:2) war er mit einer Entscheidung des Unparteiischen nicht einverstanden und bezeichnete diesen als „Rindviech“: Folge war der erste Platzverweis für den BTSV in der Bundesliga – nach 11 Jahren. So erklären sich auch die 4 fehlenden Einsätze des Außenverteidigers in der Saison 755/76 (Sperre), der übrigens sein Tor in der folgenden (1977) beim 6:0 gegen RW Essen erzielte, dem zweiten Rekordsieg. Dazu kamen für Grzyb noch 4 UEFA-Cup-Spiele (gegen Holbaek BK und Espanyol Barcelona) in der Saison 76/77, weil die Blaugelben sich mit ihren Abschlussplazierungen jeweils für den Europa-Pokal qualifiziert hatten.
Die Spielzeit 1977/78 sollte für den inzwischen 37jährigen, der jetzt nach eigener Aussage 1.750DM verdiente, die letzte sein. Doch nicht sein Rekordalter, womit er ältester Spieler der Bundesliga war, sollte entscheidend für sein Karriereende sein. Nachdem Schippi, der inzwischen als Mannschaftskapitän fungierte, nach dem 1.Spieltag aussetzen musste, war im November/Dezember alles wieder normal. Grzyb stand in der Bundesliga erneut regelmäßig auf dem Platz und auch in den letzten beiden UEFA-Spielen gegen PSV Eindhoven. Alles deutete auf eine normale Saison mit Grzyb hin. Doch dann sagte er in der Winterpause gegenüber der „Bild-Zeitung“ sinngemäß, wenn (Neuzugang) Paul Breitner weg wolle, solle er doch gehen. Da Breitner, der in Braunschweig nicht die erhoffte Verstärkung geworden war und mit seinem für den BTSV untypischen Verhalten wiederholt Unruhe in der Mannschaft hervorgerufen hatte, eigentlich eine verständliche und nachvollziehbare Äußerung. Nicht so für die Eintracht-Verantwortlichen! Sie sahen das anders und entließen den Eintracht-Kapitän. Das war insofern einfach, weil Gryzb in den letzten Jahren einen Amateur-Vertrag hatte, da Eintracht nur 17 Profis beschäftigen durfte. So absolvierte er in der Spielzeit lediglich 5 Bundesligaspiele, 3 Pokal- und 2 UEFA-Pokalspiele für die „Löwen“.
Schippi nahm es hin, beendete seine aktive Karriere nach 306 Bundesliga-Spielen (19 Toren), 36+8 Spielen in der Regionalliga Nord plus Aufstiegsrunde (7 Tore), 16 Europa-Pokal-Spielen (1 Tor) und 31 DFB-Pokal-Spielen (3 Tore) für Eintracht Braunschweig.
Damit ist er der Spieler mit den meisten Europa-Cup-Spielen (vor Franke + Merkhoffer, je 15) und mit den drittmeisten Bundesliga-Einsätzen für den BTSV.
Nach seiner Karriere als Profi-Fußballer widmete sich Grzyb seinem Job, den er bei einer Braunschweiger Brauerei ca. 1973 angetreten und bis ca. 1988 inne hatte…. und dem SV Waggum. Seitdem er in Waggum Wohnsitz genommen hatte, gehörte er diesem Verein an. Das war für ihn sozusagen Ehrensache. Er leitete zwischendurch auch einmal gemeinsam mit seiner Ehefrau deren Vereinslokal für 7 Jahre.
Von 1988 bis zum Jahr 2000 war Schippi arbeitslos, ab 1.4.2000 bezog er in seinem Haus in Waggum Rente. Die Treffen mit der Meister-Mannschaft ließ er sich nicht nehmen. So war er beispielsweise auch bei dem 30jährigen 1997 dabei. Anlässlich eines Interviews zu seinem 60.Geburtstag äußerte er, er würde alles genauso wieder machen und wünsche sich für die Zukunft für möglichst lange Zeit gute Gesundheit.
Es war ihm nicht vergönnt. Im Alter von nur 64 Jahren verstarb Wolfgang Grzyb am 7.Oktober 2004.
Ruhe in Frieden, Löwe!

[Stand: August 2021]