4. Juli
Sponsor + Präsident Günter Mast04.07.1927
Ein Löwengeburtstag
Die Jägermeister-Zeit (1972-1986)

Im Grunde genommen war die Einführung der Trikotwerbung nicht Eintrachts Schuld. Der BTSV musste sich etwas überlegen, um die Chancengleichheit zu den anderen Bundesliga-Vereinen herzustellen.
Ab Sommer 1971 war die Zeit geprägt von dem Bundesliga-Skandal, worin auch die Löwen verwickelt wurden, ohne – wie andere Mannschaften – Spiele verschoben zu haben. Das nachlassende Zuschauerinteresse wirkte sich also in Braunschweig gleichermaßen wie in anderen Städten aus. Ab Mitte November 1971 wurde nur ein einziges Mal die Zuschauergrenze von 10.000 geknackt, gegen den späteren Deutschen Meister Bayern München mit 12.316 Besuchern. Dazu kam das fehlende Hinterland durch die nahe „Zonengrenze“. Hinter Helmstedt war Schluss, da begann das Staatsgebiet der DDR. Zwar hatten sich die Löwen eine breite Fan-Basis erarbeitet, die sich bis hoch in die Heide, in den Harz und westlich bis hin zur sog. Landeshauptstadt zog, aber dennoch fehlte jede Menge Einzugsgebiet in östlicher Richtung. Diesen Standortnachteil hatte Eintracht zwar auch schon vor dem Bundesligaskandal, jedoch wirkte er sich aufgrund des nachlassenden Interesses besonders nachhaltig aus. Was sich aber -- als drittes Kriterium – geradezu verheerend in dieser Zeit auswirkte, war der Umstand, dass der BTSV Eigentümer des Stadiongeländes war. Während andere Vereine in städtischen Stadien spielten und sogar teilweise davon profitierten, dass die Spielstätten (allen voran in München mit dem Olympia-Stadion, aber auch in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt u.a.) in Hinblick auf die Heim-WM 1974 mit öffentlichen Geldern modernisiert und ausgebaut wurden, musste Eintracht jährlich zwischen 200.000 und 250.000 DM allein dafür ausgeben, um den Ist-Zustand aufrechtzuerhalten, und zahlte zusätzlich noch eifrig Steuern. Resultat war, dass die Spielzeit 1971/72 mit einem Fehlbetrag von ca. 350.000 DM abgeschlossen wurde. Es bestand Handlungsbedarf!
Mehr zufällig als geplant lernte BTSV-Präsident „Balduin“ Fricke im Sommer 1972 den Jägermeister-Fabrikant (Geschäftsführer) Günter Mast (geb.4.7.1926 in BS) kennen und unterbreitete ihm den Vorschlag, Eintracht zu sponsern. Mast, der sich selbst nicht sonderlich für Fußball interessierte, aber inzwischen aufgrund eines Erlebnisses auf einer privaten Feier wusste, dass das Interesse an diesem Sport sich durch alle Gesellschaftsschichten zog, willigte ein. Die beiden trafen die Vereinbarung, dass 'Jägermeister' über einen Zeitraum von fünf Jahren je 100.000 DM an den BTSV überweist und Eintracht als Gegenleistung dafür fünf Jahre mit dem Jägermeister-Hirschkopf statt des Löwen auf der Brust seine Spiele bestreitet.
Der BTSV informierte den DFB in Frankfurt bereits im August 1972 von seiner Absicht. Der Dachverband des deutschen Fußballs stellte sich – erwartungsgemäß -- quer mit dem Argument, dass Werbung auf Trikots nicht erlaubt sei. Eine die gesamte Sportpresse erfassende öffentliche Diskussion setzte ein. Immer wieder wurden die unterschiedlichen Standpunkte dargelegt und diskutiert. „Jägermeister“ war in aller Munde. Bevor überhaupt ein einziges Trikot mit einem Hirschkopf bedruckt werden konnte, war für das Produkt von Mast ein bundesweiter Werbeeffekt eingetreten, den sich der Wolfenbütteler Unternehmer vorher kaum erhoffen durfte. Der DFB schien lange nicht bereit nachzugeben. Zum Jahreswechsel bahnte sich dann aber (angesichts eines im Falle der Ablehnung zu erwartenden Gerichtsverfahrens) bereits ein Gesinnungswandel an.
Eintrachts Mitglieder beschlossen schließlich die Einführung der Trikotwerbung auf der Vereins-Versammlung vom 8.1.1973 mit 145:7 Stimmen. Das Logo mit dem Hirschkopf sollte dabei das Vereinswappen ersetzen, 18cm Durchmesser haben und mittig auf der Brust angebracht sein. Mit dem Trick, den Hirschkopf als Vereinswappen auszugeben, waren die Einwände des DFB gegen Werbung auf Trikots gegenstandslos. Der DFB gab daraufhin nach und fasste am 27.2.1973 den Beschluss, die 'Jägermeister'-Trikotwerbung zuzulassen. Dennoch genehmigte er Eintrachts Antrag nicht in vollem Umfange. Statt der beabsichtigten Größe von 18cm wurden nur 14cm zugelassen. Außerdem mussten in das Logo die beiden Buchstaben 'E' und 'B' für Eintracht Braunschweig eingearbeitet werden.
Der BTSV akzeptierte. Am 24.3.1973 war es dann so weit: Zum ersten Mal lief eine Fußballmannschaft mit Trikotwerbung auf, um ein Bundesligaspiel zu bestreiten. Im Heimspiel gegen Schalke 04 am 26. Spieltag betraten die Löwen mit dem Hirschkopf auf der Brust das Spielfeld. Das Interesse der Medien war beträchtlich. Der Schiedsrichter kam seiner vom DFB auferlegten Pflicht nach und maß den Durchmesser der Werbefläche genau nach. Erst dann konnte das Spiel beginnen. Der DFB gab die Trikotwerbung einige Monate später schließlich generell frei. Der entsprechende Beschluss wurde auf dem DFB-Bundestag am 30.10.1973 in Berlin gefasst.
Aufgrund des bereits frühzeitig eingetretenen Werbeeffekts für sein Produkt hatte Günter Mast die ersten 200.000 DM der vereinbarten Summe bereits im Januar 1973 kurz nach der Mitgliederversammlung an den BTSV ausbezahlt. Die restlichen 300.000 DM folgten bis Mai 1973. Der Jägermeister-Boss war seiner Zahlungsverpflichtung damit deutlich früher nachgekommen als ursprünglich vereinbart.
Und er blieb Eintracht „treu“. Er organisierte die Fanzüge nach Nürnberg in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga im Sommer 1974 und zahlte der Mannschaft einen sechsstelligen Betrag als Aufstiegsprämie. Bis Sommer 1975 flossen noch einige Summen von Wolfenbüttel in die Löwenstadt, bis insgesamt ein Millionenbetrag zusammengekommen war. Vor der Saison 1975/76 erfolgte dann der bisher größte Deal. Für die Summe von 2 Millionen DM verpflichtete sich der BTSV für fünf Jahre, neben dem Hirschkopf auch die Aufschrift „Jägermeister“ auf den Trikots zu tragen. Öffentlichkeitswirksam wurde in demselben Sommer für Mast die Verpflichtung von Popivoda, der von zahlreichen Vereinen umworben war. Ob er diesbezüglich finanziell noch „nachlegte“ lässt sich aus den vorhandenen Quellen nicht entnehmen. Sicher ist hingegen, dass er zwei Jahre später die Verpflichtung von Breitner realisierte. Kein Verein aus Deutschland war bereit, die von Real Madrid geforderten 1,6 Millionen DM für den rückkehrwilligen Breitner zu zahlen, „Jägermeister“-Boss Mast war es. Unter starker medialer Aufmerksamkeit und dem damit verbundenen herausragenden Werbeeffekt für Masts Produkt nahm der Weltmeister seinen Dienst in Braunschweig auf. Eintracht profitierte, da die nie zuvor erreichte Anzahl von 5.500 Dauerkarten 1,4 Millionen DM in die Vereinskasse spülten.
Zusammenfassend lässt sich sicherlich feststellen, dass die erfolgreiche Zeit von 1973 bis 1977 ohne Günter Mast nicht möglich gewesen wäre, auch wenn sich die Breitner-Aktion im Nachhinein als Flop herausgestellt hatte. Mit solchen Spielern wie Popivoda, Handschuh, Frank usw., die unter dem herausragenden Trainer Zebec zu Höchstform aufliefen, waren dem BTSV Verpflichtungen gelungen, die nur mit dem Geld des Sponsors möglich waren. Darüber hinaus hielt sich Mast bis zu diesem Zeitpunkt wohltuend aus der Vereinspolitik heraus, soweit sich dies heute noch feststellen lässt. Diesbezüglich hat der BTSV schon andere Erfahrungen gemacht.
Spätestens als der Verein 1981 total überschuldet war, gab Mast seine Zurückhaltung zur Vereinspolitik auf. Was war passiert? Der Verein hatte sich mit der 1974/75 beschlossenen und in Angriff genommenen Modernisierung des Eintracht-Stadions (Gegengerade und Haupttribüne) total übernommen. Die Baukosten waren explodiert. Von den veranschlagten 6,5 Millionen DM war längst keine Rede mehr, knapp 15 Millionen wurden jetzt veranschlagt. 4,5 Mlln. Eigenmittel des Vereins und der Zuschuss der Stadt von 1,5 Mlln..hatten bei weitem nicht ausgereicht. Zusätzlich durch den Abstieg bedingt, betrug der Schuldenstand ca. 14 Mlln.DM. Die Lizenzverweigerung drohte Als Lösung kam nur ein Stadionverkauf an die Stadt in Frage. Dieser kam am 14.5.1981 zustande. Für 11,9 Mlln.DM wurde die Stadt Braunschweig Eigentümer. 1,2 - 2 Mlln. DM steuerte „Jägermeister“ zur Entschuldung des BTSV bei. Mast wurde daraufhin zum „starken Mann“ im Verein, was sich aber zunächst nicht negativ auswirkte, weil er sich mit Eintracht-Präsident Jäcker gut verstand.
Das änderte sich jedoch 1983. Wiederum wollte der DFB dem BTSV die Lizenz aus wirtschaftlichen Gründen versagen. Mast sprang zur Rettung mit gut einer halben Million ein. Als im September bekannt wurde, dass der BTSV mit über 3 Millionen DM verschuldet war, eskalierte die Lage kurzzeitig. Mast warf Präsident Jäcker Dilettantismus vor und es kam zum Streit. Dieser wurde zwar kurz darauf beigelegt, Jäcker erklärte jedoch, im November nicht wieder als Präsident kandidieren zu wollen.
Um den 10.10.1983 ließ Mast verlauten, er würde Eintracht vollständig entschulden, wenn sich der Verein als Gegenleistung in 'SV Jägermeister Braunschweig' umbenennt. Da diese Pläne konkreter wurden, reagierte der DFB, dem die Idee des Wolfenbütteler Unternehmers natürlich nicht gefiel. Auf seinem Bundestag am 29.10. beschloss er im Rahmen eines Dringlichkeitsantrages die Aufnahme eines neuen § 13a in seine Satzung. Absatz 2 dieser Bestimmung besagte, dass Änderungen, Ergänzungen oder Neugebungen von Vereinsnamen und Vereinszeichen zum Zwecke der Werbung unzulässig sind. Nach Absatz 4 führen Verstöße hiergegen bei Lizenzvereinen zum Entzug bzw. Versagung der Lizenz.
Bei der ordentlichen Mitgliederversammlung des BTSV am 28.11. wurde Mäzen Günter Mast zum neuen Vereinspräsidenten gewählt, nachdem er erst drei Tage zuvor überraschend seine Kandidatur abgegeben hatte. Er kündigte die vollständige Entschuldung des Vereins an, die inzwischen eine Größenordnung von über 4 Mln. DM angenommen hatte. Mast erklärte weiter, im Gegenzug den Plan zur Umbenennung des Vereins weiter zu betreiben und hierbei auch die Gerichte einzuschalten. Es wurde eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, die über den Antrag zur Namensänderung entscheiden sollte. Am 14.12. stimmten die Eintracht-Mitglieder mit überwältigender Mehrheit schließlich dem Antrag zu. 'Eintracht Braunschweig' sollte künftig 'Jägermeister Braunschweig' heißen!



Die meisten Mitglieder sahen in dieser Entscheidung die einzige Möglichkeit, den Verein am Leben zu halten. Mast kam in der Folgezeit seinem Versprechen nach und tilgte die Schulden. Nun musste der neue Name nur noch ins Vereinsregister eingetragen werden.
Zwischenzeitlich hatte Mast diesbezüglich schon einen ersten gerichtlichen Erfolg errungen. Das Vereinsregistergericht Frankfurt verbot dem DFB, die beschlossene Satzungsänderung eintragen zu lassen, solange die Angelegenheit nicht abschließend gerichtlich geklärt ist. Der DFB reagierte wieder umgehend. Am 13.12., mithin einen Tag vor der über die Namensänderung entscheidenden Zusammenkunft der Eintracht-Familie, ging dem BTSV eine gerichtliche einstweilige Anordnung zu, die dem Verein untersagte, die beabsichtigte Änderung des Vereinsnamens ins Vereinsregister eintragen zu lassen. Mast und „Jägermeister“ konnten zwar die Namensänderung nicht sofort vollziehen, waren dafür aber wieder – wie bereits 1972/73 – in der öffentlichen Diskussion sehr präsent. Der von Mast beabsichtigte Werbeeffekt trat bereits ohne Namensänderung ein. Im März 1984 entschied das Landgericht Frankfurt zugunsten des DFB. Mast zeigte sich wenig beeindruckt und Eintracht zog vor das OLG.
Inzwischen war der Präsident des BTSV auch in seiner neuen Funktion im Tagesgeschäft tätig geworden. Nachdem er erhebliche Mängel bei der Geschäftsabwicklung entdeckt hatte, die seinem Vorgänger mangels Präsenz in Braunschweig entgangen waren, holte er fast sämtliche Unterlagen des Vereins in die „Jägermeister“-Räume in Wolfenbüttel und erledigte die Arbeit von dort aus. Um eine künftige Verschuldung von Eintracht zu vermeiden, wurden den Spielern, deren Verträge ausliefen, vor der Spielzeit 1984/85 nur Kontrakte mit wesentlich geringeren Bezügen (bis zu 40%) angeboten. Es gab Einheitsverträge für „normale“ Spieler und solche für Leistungsträger. Franke konnte nur gehalten werden, weil sich die Brauereien „Wolters“ und „Feldschlößchen“ finanziell engagierten. Sportliche Einwände insbesondere von Erfolgstrainer Ristic, dass die Blaugelben mit diesem Kader Abstiegskandidat Nr. 1 seien, wurden von Mast ignoriert. Er führte Eintracht wie ein zu sanierendes Unternehmen.
Nach dem Bundesliga-Abstieg im Sommer 1985 kündigte der Wolfenbütteler Unternehmer an, bei der nächsten Jahreshauptversammlung nicht mehr als Präsident kandidieren zu wollen. Daraufhin nahm der damalige Vize-Präsident des BTSV Kontakt zum Vorstandsmitglied des VW-Konzerns Karl-Heinz Briam auf, der mit weiteren Führungskräften des Auto-Konzerns regelmäßig die Heimspiele der Löwen besuchte. Briam signalisierte zunächst Bereitschaft, winkte aber nach einem Gespräch mit Mast ab und wurde stattdessen später Präsident des VfL Wolfsburg. Es kann als gesicherte Tatsache gelten, dass persönliche Eigenheiten von Mast der Grund waren, warum Briam keine Verantwortung in der Okerstadt übernahm.
In einer Phase, in der alles andere als Eintracht in der Führungsriege des BTSV herrschte, trat Mast dann doch erneut als Präsidentschaftskandidat an. Auf der Mitgliederversammlung vom 9.12.1985 wollte er aber die Präsidiumsmitglieder in anderer Reihenfolge wählen lassen – aus welchem Grund auch immer. Diverse Vereinsmitglieder witterten Böses dahinter und Mast scheiterte mit seinem Antrag nach einer turbulenten Diskussion mit 126 zu 131 Stimmen. Der erfolgsgewohnte Unternehmer erklärte daraufhin seinen Verzicht auf die Kandidatur. Da kein geeigneter Nachfolger kurzfristig zur Verfügung stand, agierte Mast bis 17.3.1986 als „Notpräsident“. An diesem Tag wurde Klaus Leiste als Nachfolger gewählt. Der „Jägermeister“-Boss blieb aber weiterhin am Verein interessiert und wurde auch in manche Entscheidungsprozesse eingebunden. Sein Engagement für den BTSV endete in der Winterpause 1986/87.
Möglicherweise stand sein Rückzug mit dem Fortgang der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Namensänderung in Zusammenhang. Nachdem auch das Oberlandesgericht Frankfurt zugunsten des DFB Recht entschieden hatte, traf das von Mast und dem BTSV angerufene höchste zivile Gericht, der Bundesgerichtshof seine abschließende Entscheidung am 17.11.1986 (Az.: II ZR 304/85). Er erklärte die Satzungsänderung des DFB für rechtswidrig und räumte Eintracht das Recht zur Namensänderung ein. Zur besagten Namensänderung kam es dennoch nicht, weil nun der Niedersächsische Fußballverband dem BTSV mit dem Ausschluss seiner Jugend- und Amateurmannschaften aus dem Punktspielbetrieb drohte. Begründung: Man dulde nicht, dass Jugendmannschaften Werbung für die Droge Alkohol machen.
Vielleicht war es Mast einfach leid, gegen die Widerstände der Verbände vorzugehen. Oder der Rücktritt von Leiste Ende Januar 1987 spielte eine Rolle. Oder Differenzen mit dessen designierten Nachfolger Harald Tenzer (gewählt 23.3.1987) waren ausschlaggebend. So genau lässt sich das den zur Verfügung stehenden Quellen nicht entnehmen. Jedenfalls setzte sich Eintracht gegen den NLV nicht zur Wehr und gab den Plan zur Namensänderung auf. Der 'BTSV Eintracht Braunschweig' war damit haarscharf an der Umbenennung in 'SV Jägermeister Braunschweig' vorbeigeschrammt. Ab der Saison 1987/88 prangte dann auch wieder der rote Löwe auf der Brust der Trikots.
Günter Mast verstarb am 28.2.2011 in der Südheide.

Bewertung des Engagements von Günter Mast bzw. Jägermeister bei Eintracht

Wenn man will, so kann man sich selbstverständlich als Ultra oder einfach nur Traditionalist darüber aufregen, wie in der Zeit 1972/73 mit dem Vereinswappen umgegangen wurde. Es steht jedoch fest, dass der BTSV und auch Unternehmer Mast zu der Zeit keine andere Möglichkeit hatten, als das Werbeverbot des DFB dadurch zu umgehen, dass das Jägermeister-Logo den roten Löwen als Wappen ersetzte. Mast hätte sich mit Sicherheit auch zufrieden gegeben, wenn sowohl Hirsch als auch Löwe einträchtig auf der Brust der Spieler erschienen wären. Das jedoch war nicht möglich. Ihm kann man diesbezüglich also keinen Vorwurf machen. Und auch die Mitglieder von Eintracht haben den Tausch des Wappens damals anders wahrgenommen. Die Tradition von Vereinen war zu Beginn der 70er Jahre einfach nicht in Gefahr. Die Ware „Fußball“ gab es noch nicht, Vereine wie RB oder Hoppenheim erst recht nicht. „Man“ musste auf Identifikation (-merkmale) einfach noch nicht so sorgfältig achten wie heute. Eintracht war Eintracht und blieb es auch, ob mit Löwe oder Hirsch. Warum der Verein allerdings nicht nach Ablauf der ersten fünf Jahre oder vor Abschluss des 2Mlln.-Folgevertrages darauf gedrängt hat, dass auch der Löwe wieder auf dem Trikot erscheint – was möglich gewesen wäre --, erschließt sich nicht. Aber auch zu diesem Zeitpunkt hatte die Kommerzialisierung noch nicht ein gefährliches Maß erreicht.
Der Wolfenbütteler Unternehmer beschränkte seine Aktivitäten bis Ende der 70er Jahre auf das Sponsoring des Vereins ausschließlich zur Erzielung von Werbeeffekten. Auf die Vereinspolitik nahm er keinen Einfluss. Insofern ist sein Engagement für diesen Zeitraum auch nach heutigen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, sogar als positiv zu bewerten. Dass der Sport „Fußball“ ihn nicht sonderlich interessierte und er daher selten im Stadion anzutreffen war, ist ohne Belang.
Anders ist die Zeit der extremen Verschuldung von Eintracht zu sehen. Vorausschicken muss man Folgendes: Es gibt Hinweise dafür, dass die jeweiligen Verantwortlichen vom BTSV durch die Erfolge Mitte der 70erJahre leichtsinnig geworden sind und das finanzielle Potenzial des Vereins – auch mit dem Gedanken, Mast hinter sich zu wissen – überschätzt haben. Natürlich waren die explodierenden Umbaukosten für das Stadion nicht in diesem Ausmaß absehbar gewesen, aber eine gewisse Überschätzung der eigenen Möglichkeiten und daher fahrlässiges Handeln dürften vorhanden gewesen sein. Insofern ist es aus unternehmerischer Sicht verständlich, dass sich Mast spätestens im Sommer 1980, als durch den Abstieg von Eintracht auch – infolge deutlich weniger Präsenz in den Medien – die Werbewirkung für sein Produkt rückläufig war, in die Finanzpolitik des Vereins einmischte. Wenn er sein Engagement auf das Sanieren der Finanzen unter Berücksichtigung von sportlichen Gesichtspunkten beschränkt hätte, wäre das nicht zu beanstanden, sondern sogar hilfreich gewesen. Das hat er jedoch nicht getan:
• Unter Ausnutzung der finanziellen Lage des BTSV hat er sich als Eintracht-Präsident wählen lassen und daher erheblichen Einfluss auf die Geschicke des Vereins genommen. Unter anderem hat er 1985 VW als Großsponsor verhindert (Jeder mag für sich selbst die Feststellung treffen, ob er das für negativ oder positiv einstuft.)
• Mit demselben Druckmittel wollte er dem Verein durch Umbenennung ein wesentliches Identitätsmerkmal entziehen.
• Er hat noch mehr Unruhe in das Vereinsleben gebracht, indem er – bedingt durch seine „burschikose“ Art – Führungspersonen, zum Teil sogar öffentlich, kritisiert hat (ob nun zu Unrecht oder nicht)..
• Er hat den Verein wie ein Wirtschaftsunternehmen saniert und dabei nicht berücksichtigt (oder bewusst ignoriert), dass bei einem Fußballverein mit sportlichem Misserfolg grundsätzlich auch neue Schulden einhergehen
Entscheidend allein ist jedoch, dass er in seiner Funktion als Sponsor in die Vereinspolitik des BTSV eingegriffen hat. Das ist die Ursache allen Übels, wie wir heute überdeutlich sehen. Insofern ist sein weiteres Wirken ab Ende der 70erJahre kritisch, sehr, sehr kritisch zu sehen.

Bewertung der Vorreiterrolle von Eintracht in Sachen Trikotwerbung

Hat der BTSV die schädliche Entwicklung des Fußballs wirklich ausgelöst mit seiner Vorreiterrolle in Sachen Trikotwerbung?
Eines vorweg: Der Wettbewerbsvorteil, den sich der BTSV von den Einnahmen aus der „Jägermeister“-Werbung versprochen hatte und mit dem man den Standortnachteil ausgleichen wollte, trat allenfalls für einen ganz kurzen Zeitraum ein. Aufgrund der generellen Freigabe der Trikotwerbung durch DFB-Beschluss vom 30.10.1973 starteten bereits in die Bundesliga-Saison 1974/75 sechs Clubs mit Trikotwerbung: Der HSV (mit Campari), Bayern München (mit Adidas), Fortuna Düsseldorf (mit Allkauf), Eintracht Frankfurt (mit Remington), der MSV Duisburg (mit Brian Scott) und der BTSV. Acht Jahre später gab es keinen Bundesligaverein mehr, der ohne Trikotwerbung auflief.
Heute ist es im Sponsoring wie überall im Leben: Wo bereits Geld, gleichbedeutend mit Erfolg, ist, kommt Geld dazu (Getreu dem Motto: Geld schießt Tore!), wobei größere Städte natürlich bessere Chancen haben aufgrund der Vielzahl von potentiellen Sponsoren.
So, zurück zum Thema!
Stadion-Werbung gab es schon vor Einführung der Bundesliga. Wer die ersten Bundesliga-Spielzeiten noch erlebt hat, kennt die Werbung der meist ortsansässigen Unternehmen. Durchsagen wie „Ist ´s die Brille, geh´ zu Wille“ und „Hast Du einen Schuhkauf vor, geh´ zu Bartels-Ju ni or“ haben niemand aufstehen und gegen den modernen Fußball wettern lassen. Auch Bandenwerbung gab es schon lange. Wer störte sich an „Wolters Export“, „Gala“, „Karstadt“, „Commerzbank“ u.a., die an Banden oder hoch über den Rängen prangten? – Niemand!
Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann die Werbung auf den „nur an körperlicher Ertüchtigung und sportlichem Wettstreit interessierten“ Fußballer übergreifen würde. Den reinen Amateur gab es schon lange nicht mehr, zumindest nicht in den höheren Ligen. Fußball-Stars machten schon länger (in Zeitschriften) Werbung für Produkte der Industrie. Spätestens nach dem Bundesliga-Skandal 1971 hätte der verstaubte DFB erkennen müssen, dass die Zeichen der Zeit auf Vermarktung stehen. Als sich Eintracht über den Trick des geänderten Vereinswappens durchgesetzt hatte, dauerte es ja auch nicht mehr lange, bis die Trikotwerbung generell freigegeben wurde.
Setzte damit schon die schädliche Entwicklung des Fußballs ein? Sind laufende Litfaßsäulen schuld am modernen Fußball? – Nein! Die Entwicklung begann dann gefährlich zu werden, als Firmen den Fußball als „Ware“ entdeckten und die Bundesliga als „Premium-Produkt“.
Wann war das nun der Fall?
Hier ist vor allem die bessere Erreichbarkeit des „Kunden“ zu nennen. Durch die Einführung des Privatfernsehens Anfang/Mitte der 80erJahre hat die Präsenz des Fußballs in der Öffentlichkeit extrem zugenommen. „Mann“ war nicht mehr auf den Stadionbesuch, die „Sportschau“ sowie die Übertragung von Länder- oder Europapokalspielen angewiesen.
Durch die erhöhte Präsenz, die einherging mit neuen Sendeformaten, die auch die „Klatschspalte“ bedienten, wurden auch neue Kunden gewonnen. Insbesondere ist hier das weibliche Geschlecht zu nennen. Die Freigabe des Frauen-Fußballs war gerade einmal gut zehn Jahre her, da war es nur logisch, dass auch die Frauen zu Fans, d.h. zu potentiellen Kunden werden würden.
Die kurz darauf einsetzende Versorgung der Welt mit Computern und Internet, inzwischen internetfähigen Handys taten ein Übriges für eine Bevölkerung, die über immer mehr Freizeit verfügte. Inzwischen kommt selbst das Bezahlfernsehen wie Sky aus den roten Zahlen heraus.
Als weiterer Anreiz für Unternehmen, als Trikotsponsor aufzutreten, ist die feste Rückennummer für Spieler zu nennen, die 1995 eingeführt wurde. Seitdem kann man ein Trikot „seines Fußball-Helden“ erwerben. Der Trikotverkauf, an dem der Sponsor logischerweise partizipiert, ist ab dem Zeitpunkt sprunghaft gestiegen. (Erklärbar werden dadurch die hohen Ablösesummen. Als Christiano Ronaldo zu Barcelona wechselte, sind innerhalb von relativ kurzer Zeit 1 Million Trikots über den Ladentisch gegangen, gleich 80 Mlln. €..)
Schließlich gibt es in der heutigen Zeit die Logen. Hier kann ich als Unternehmer neue Kunden begrüßen, alte Kunden in angenehmer Atmosphäre bewirten und Geschäfte abwickeln. Kontakte kann man zusätzlich im VIP-Bereich unter Seinesgleichen knüpfen.
Es gibt sicherlich noch andere Faktoren, die den Fußball in den letzten 40 Jahren für Unternehmen interessanter gemacht haben, aber lassen wir es dabei bewenden. Entscheidend ist nur, dass der Fußball für Unternehmen aus den unterschiedlichsten Bereichen zu einer „Ware“ geworden ist, die an den Mann bzw. die Frau gebracht werden muss.
Es entspricht daher nur den Gesetzen der Logik, dass die Industrie die Entscheidungen nicht allein den Verantwortlichen des gesponserten Vereins überlassen will. Wenn die nämlich falsch entscheiden, Abstiege verursachen oder Pyro zulassen, die einer Kundenschicht nicht gefällt, dann gehen Abnehmer der Ware verloren, d.h. simpel ausgedrückt: Geld geht verloren.
Und da kommen die Kapitalgesellschaften ins Spiel, in die viele Vereine den Profi-Fußball ausgelagert haben. GmbHs usw. haben Aufsichtsräte und sind schwerer durch die Mitglieder des Vereins zu kontrollieren. Es bleibt nur die turnusmäßige Wahl von Aufsichtsrat und Präsidium. Die Praktiken der Geschäftsführung der KG bleiben den Mitgliedern meist verborgen. Wir bei Eintracht Braunschweig wissen selbst, dass unser Aufsichtsrat zu 50% aus Sponsorenvertretern besteht, wobei im Moment auch noch einer von diesen merkwürdigerweise den Vorsitz bekleidet (Stand: vor JHV im Nov20). Aber auch ein eingetragener Verein verfügt heute in aller Regel über ein Kontrollgremium, in dem Sponsorenvertreter sitzen und Einfluss ausüben. Ob es sich nun AR oder Beirat der sonst wie nennt, ist schließlich egal.
Der moderne Fußball ist ein Industriezweig, in dem Unternehmen das Sagen haben – in Vereinen, in Verbänden sowieso. Beispiel gefällig? Der Pokal wird immer gepriesen als der Wettbewerb für die „Kleinen“. Die „Kleinen“ (unterhalb der Regionalliga) haben aber zum großen Teil keine Chance mehr, ein Pokalspiel gegen einen Bundesligisten im eigenen Stadion auszutragen, weil die Anforderungen des DFB zu hoch sind. Sicherheit, Fassungsvermögen, Größe der Schiedsrichterkabine usw. sind für den Profi-Fußball konzipiert und auf optimale Vermarktung ausgerichtet, nicht auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten bei einem Landesligisten.
Zurück zur Ausgangsfrage: Nein, der BTSV und Jägermeister haben die Abkopplung des Fußballs von der Basis nicht ausgelöst. Es waren andere Faktoren ausschlaggebend. Wenn sich an den Verhältnissen seit Anfang der 70erJahre nichts geändert hätte, wäre der Fußball als solcher nicht zur „Ware“ verkommen, sondern eine unter vielen anderen Werbemöglichkeiten für Firmen geblieben. Er würde noch den Vereinen und uns Fans gehören!

[Stand: November 2020]