28. Oktober
FC Schalke 04 – Eintracht 0:1 (0:1)28.10.1972
9. Spieltag Bundesliga  – 1972/73
Nun nach Schalke!
Zu den „Knappen“ war Eintracht in den bisherigen 9 Bundesligajahren eigentlich immer gern gefahren. Oft genug gab es für die „Löwen“ in der „Glückauf-Kampfbahn“ etwas zu holen. Die Bilanz war mit 3 Siegen, 3 Unentschieden und 3 Niederlagen absolut ausgeglichen. Aber ob das auch in der Bundesliga-Saison 1972/73 so bleiben würde?
Der BTSV war schwach in die Spielzeit gestartet. Nach 8 Spieltagen stand er mit 4:12-Punkten (2-Punkte-Wertung) auf Platz 16 der Tabelle, nur durch das weniger schlechte Torverhältnis vom ersten Abstiegsplatz (Platz 17) getrennt. Der Letzte, der HSV, wies auch nur einen Zähler weniger auf. Und das eigentlich Dramatische war: Die „Löwen“ hatten die schlechte Plazierung wirklich verdient. Außer beim 1:0-Sieg am 5.Spieltag gegen Werder Bremen konnten sie bisher leistungsmäßig nicht überzeugen, geschweige denn nachweisen, dass sie in die Eliteliga des deutschen Fußballs gehörten. Den Negativ-Höhepunkt hatte es am letzten Spieltag bei der 0:1-Heimniederlage gegen den Aufsteiger Wuppertaler SV gegeben. Die Aussagen des Gästetrainers, dass den Eintracht-Spielern die Angst vor dem Versagen anzusehen war, und die des Eintracht-Trainers Otto Knefler, dass seine Mannschaft mit dem Siegeszwang nicht fertig werde, sagten genug. Wo sollte da, noch dazu in einem Auswärtsspiel auf Schalke, das mit 4 Siegen und der gleichen Anzahl von Niederlagen durchschnittlich in die Saison gestartet war, plötzlich ein Erfolgserlebnis herkommen?
Hoffnung machte allenfalls, dass die Aufarbeitung des Bundesligaskandals auch bei Schalke noch in vollem Gange war und gerade aktuell zu den Sperren von Sobieray und Torjäger Klaus Fischer geführt hatte. Außerdem hoffte man in Braunschweig ein wenig darauf, dass die „Knappen“ noch ein wenig von ihrem erst drei Tage zurückliegenden Auftritt im Europapokal der Pokalsieger bei Cork Hibernians aus Schottland (0:0) geschwächt waren.
Knefler hatte sich am Spieltag, den 28.10.1972 – einem Samstag – für folgende Startelf entschieden: Franke – Grzyb, Bäse, Kaack, Merkhoffer – Hellfritz, Haun, Michaelsen – Gerwien, Gersdorff, Erler. Er zog also Haun ins Mittelfeld zurück, ließ dafür Häbermann draußen und brachte mit dem inzwischen schon 32 Jahre alten Gerwien (für Deppe) und Dietmar Erler zwei neue Angreifer.
Besonders die Aufstellung von Erler machte sich schon früh im Spiel bezahlt. Nicht einmal vier Minuten waren seit dem Anpfiff von Schiedsrichter Seiler aus Schmiden vergangen, als der Linksaußen der Blaugelben mit einem Volley-Schuss auf Pass von Gerwien die Führung erzielte. – 0:1 (4.). Mit der Führung im Rücken konzentrierten sich die „Löwen“ sofort auf die Abwehr, ausschließlich auf die Abwehr. Zeitweise waren 10 Eintracht-Trikots im Strafraum vor Franke zu sehen. Schalke griff ununterbrochen an, aber den Mannen in Königsblau um Torwart Nigbur, Vorstopper Rüssmann, Libero Klaus Fichtel und den Kremers-Zwillingen Erwin und Helmut fehlte sehr zum Ärger der meisten der 12.000 Zuschauer die zündende Idee, wie dieses Abwehrbollwerk zu knacken ist. So stand es auch nach 90 Minuten noch 0:1. Als der Abpfiff ertönte, rissen die Eintracht-Spieler die Arme hoch. Sie, deren Nerven ihnen noch sieben Tage zuvor einen Streich gespielt hatten, hatten bewiesen, dass sie Bundesliga doch „können“. Ein erleichterter Trainer Knefler sprach hinterher demzufolge auch von einem der wichtigsten Siege der letzten Monate und trat gutgelaunt mit seiner Mannschaft die Heimreise an
Eintracht hatte sich mit diesem Sieg auf den 15.Platz in der Tabelle vorgearbeitet und sich an Hertha BSC (5:13) vorbeigeschoben. Auch der HSV war siegreich geblieben. Nur RWO hatte verloren. Es blieb eng am Tabellenende! Aber die Saison war ja noch lang.

[Stand: November 2021]

MSV Duisburg - Eintracht 1:1 (1:1)28.10.2002
10. Spieltag 2. Bundesliga - 2002/03
Am 28.10.2002 musste Eintracht sein Auswärtsspiel beim MSV Duisburg bestreiten.
Obwohl die Blau-Gelben erst im Sommer (nach 9 langen Jahren Regionalliga) in die 2. Bundesliga zurückgekehrt waren, spürte man von Aufstiegseuphorie in Braunschweig nichts mehr. Rein gar nichts! Nach einem Sieg zum Auftakt hatte die Mannschaft 7 Spiele verloren und 1x Unentschieden gespielt. Mit 4 Punkten "zierte" man das Tabellenende.
Eintrachts Verantwortliche hatten nach der letzten Niederlage (mit 1:2 zu Hause gegen den zu diesem Zeitpunkt noch schlechter plazierten Karlsruher SC) die Reißleine gezogen und Trainer Vollmann und Manager Holdorf entlassen. Als "Neue" wurden Wolfgang Loos als Manager und Uwe Reinders als Trainer verpflichtet. Mit Uwe Reinders kam ein alter Bekannter nach Braunschweig zurück, der bereits von 1987 bis 1989 das Traineramt inne und mit den "Löwen" 1988 den direkten Wiederaufstieg in die 2. Liga geschafft hatte.
Gerade einmal 4 Tage hatte Reinders Zeit, die Mannschaft kennenzulernen und sie auf das Auswärtsspiel in Duisburg einzustellen.
Das Spiel fand an einem Montag statt und wurde live im DSF übertragen. Ob das der Grund dafür war, dass nur 4.500 Zuschauer, darunter 300 "Löwen"-Fans, den Weg ins Duisburger Stadion gefunden hatten?
Die, die gekommen waren, bekamen ein schwaches Spiel zu sehen. Weder der Tabellenzwölfte noch Eintracht wusste spielerisch zu gefallen. Wenigstens der kämpferische und läuferische Einsatz der Blau-Gelben stimmte dieses Mal zu 100 Prozent -- und wurde mit einem Punktgewinn belohnt! Am Ende hieß es 1:1. Thomas hatte die Führung des MSV aus der 43. Minute unmittelbar vor dem Pausenpfiff ausgeglichen.
Eintracht hatte damit am 10. Spieltag den ersten Auswärtspunkt erkämpft. Reinders" Premiere war gelungen. Die Eintracht-Fans kehrten von dem Auswärtsspiel mit neuer Hoffnung auf den Klassenerhalt nach Braunschweig zurück, zumal der Rückstand auf Platz 14 nur 4 Punkte betrug.
Die Hoffnungen der Fans erfüllten sich nicht. Eintracht stieg am Saisonende ab.
Dass es am Ende nicht zum Klassenerhalt gelangt hat, lag allerdings nicht an den Auswärtsleistungen der "Löwen". In den verbleibenden 12 Auswärtsspielen holte der BTSV 18 Punkte (5 Siege / 3 Unentschieden / 4 Niederlagen).

Mal was anderes:
Wenn Du Interesse an einer Zusammenfassung des BTSV von Sommer 1993 bis Sommer 2007 hast, schaust Du dir am besten diese PDF hier an. Der Umfang des Textes beträgt dabei über 20 DIN A4-Seiten!

SSV Reutlingen – Eintracht 0:4 (0:2)28.10.2015
2. Runde DFB-Pokal – 2015/2016
In der 2. Runde des DFB-Pokals der Saison 2015/16 musste Eintracht am 28.10.2015 beim SSV Reutlingen antreten.
Die „Löwen“ hatten sich in der 1. Runde beim Drittligisten HFC Halle mit 1:0 durchgesetzt. Es war eine zähe Angelegenheit geworden. Halle hatte sich Chancen in Hülle und Fülle erarbeitet, aber viel Glück und ein starker Gikiewicz im Tor des BTSV stellten letztendlich den Erfolg sicher. Es war das einzige Erfolgserlebnis, dass die Blau-Gelben zu Beginn der Saison hatten. Aus den ersten drei Punktspielen in der 2.Bundesliga holten sie gerade einmal ein einziges Pünktchen und fanden sich auf dem 17.Tabellenplatz, einem direkten Abstiegsplatz, wieder. Traurige Gesichter in der Stadt an der Oker! Diese hielten jedoch nicht lange an. Die gegenüber dem Vorjahr total veränderte Mannschaft (mehr als 10 Ab- und Zugänge) fing sich schnell und stand nach 12 Spieltagen mit 20 Punkten auf Platz 5 der Tabelle.
Grund genug, die Pokalaufgabe voller Selbstbewusstsein anzugehen – zumal die Reutlinger „nur“ in der Oberliga kickten.
Aber Reutlingen? SSV Reutlingen – da war doch ´mal ´was?! Richtig! In der Saison 2002/03 waren sich die beiden Vereine schon einmal im DFB-Pokal begegnet und zudem auch in den Punktspielen der 2.Bundesliga. Der SSV hatte 2001 unter Trainer Armin Veh, der später als Bundesliga-Trainer Karriere machte und u.a. den VfB Stuttgart 2007 zur Meisterschaft führte, den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft und in der Premierensaison souverän die Klasse gehalten. Im Sommer 2002 schaffte der BTSV -- nach neun Jahren in der Drittklassigkeit --ebenfalls den Sprung in Liga 2 und sollte laut Spielplan bereits am 3.Spieltag zu Hause auf den SSV treffen. Direkt danach stand die 1.Pokalrunde an. Wie es der Zufall wollte, war Eintracht der SSV Reutlingen zugelost worden, ebenfalls zu einem Heimspiel. So trafen die Teams innerhalb weniger Tage (25.08.02 und 30.08.02) zweimal im Stadion an der Hamburger Straße aufeinander. Beide Spiele verloren die „Löwen“ mit 1:2 – und stiegen am Saisonende wieder ab. Dem SSV erging es in dieser Spielzeit -- übrigens ohne Trainer Veh, der den Verein schon vor der Saison (auf eigenen Wunsch) verlassen hatte -- nicht besser. Belastet mit einem Punktabzug von 6 Punkten musste auch Reutlingen den Gang in die Drittklassigkeit antreten. Während Eintracht bereits 2005 und dann 2011 in die 2.Bundesliga zurückkehrte, ist der SSV seit 2003 nie wieder im bezahlten Fussball (inklusive Liga 3) vertreten gewesen.
Es gab also tatsächlich so etwas wie eine offene Rechnung zu begleichen!
Ca. 1.000 „Löwen“-Fans hatten die lange Reise an diesem Mittwoch auf sich genommen, um den BTSV zu unterstützen. Sie stellten im Stadion „An der Kreuzeiche“, das in den 50er Jahren gebaut wurde, unter den 7.524 Zuschauern eine stimmgewaltige Macht dar.



[Bild von B.Grimm]

Bereits früh im Spiel wurde deutlich, dass die Blau-Gelben an diesem Abend vom Außenseiter nicht zu bezwingen waren. In der 21. Minute ging der BTSV durch einen abgefälschten Holtmann-Schuss in Führung. Eine Viertelstunde später (36.) erhöhte Berggreen nach einer schönen Flanke von Sauer per Kopf auf 2:0. Mit diesem Treffer, der gleichzeitig den Pausenstand markierte, war die Vorentscheidung gefallen. Die Reutlinger, die in der 1. Runde noch den Karlsruher SC ausgeschaltet hatten, schafften es in den ersten 45 Minuten lediglich zweimal, Gikiewicz zum Eingreifen zu zwingen. Ein harmloser Weitschuss auf Mann (21.) sowie eine abzufangende Hereingabe (42.) stellten für Eintrachts Keeper, der in der 2.Bundesliga zu diesem Zeitpunkt (gemeinsam mit dem Torwart vom FC St.Pauli) die meisten „Zu 0-Spiele“, nämlich 7, vorweisen konnte, kein Problem dar.
In der 2.Halbzeit, in der Eintracht dem SSV mehr Spielanteile gönnte, erzielten die „Löwen“ weitere zwei Treffer. Zunächst traf erneut der frischgebackene U20-Nationalspieler Holtmann per Direktabnahme nach Flanke von Reichel (61.), dann sorgte der erst vier Minuten zuvor eingewechselte Ademi nach einem schönen Alleingang von Ofosu-Ayeh (79.), ebenfalls seit kurzem Nationalspieler (für Ghana, A-Team), für den Endstand. Orhan Ademi machte sich damit selbst ein Geschenk zum Geburtstag. 4:0! Das war ´s! Achtelfinale erreicht!
Andere Profimannschaften konnten das nicht von sich behaupten. Nachdem in der 1.Runde bereits die Erstligisten 1899 Hoffenheim, der HSV und der FC Ingolstadt sowie die Zweitligisten Union Berlin, Arminia Bielefeld, der KSC, der MSV Duisburg, der FC St.Pauli und die SpVgg Greuther Fürth ausgeschieden waren, ereilte dieses Schicksal in Runde 2 gleich 13 weitere Profimannschaften. Die Mitglieder der Beletage des Deutschen Fussballs 1.FC Köln, Schalke 04, VfL Wolfsburg, Mainz 05, Eintracht Frankfurt (0:1 beim Drittligisten Erzgebirge Aue) und Hannover 96 (1:2 bei Darmstadt 98) verabschiedeten sich ebenso wie die Unterhausmitglieder FSV Frankfurt, SC Paderborn, SC Freiburg, Fortuna Düsseldorf, 1.FC Kaiserslautern, SV Sandhausen und RB Leipzig (0:3 beim Regionalligisten SpVgg Unterhaching).
Voller Interesse sahen die Eintracht-Fans nun der Auslosung am 1.11.2015 entgegen. Im Lostopf befanden sich zwar 9 Erstligisten, aber auch 4 andere Zweitligavereine, 1 Verein aus der 3.Liga und 1 Regionalligist. Die Chancen standen also gar nicht so schlecht, eine machbare Aufgabe zugelost zu bekommen. Ein Heimspiel wäre natürlich die beste Variante… .
Bis zur letzten Paarung mussten sich alle Eintracht-Interessierten gedulden, bis der Gegner feststand. Letzte gezogene Paarung: VfB Stuttgart – Eintracht Braunschweig !
Die Begeisterung hielt sich natürlich in Grenzen. Ein Erstligist und dann noch auswärts!
Aber was soll ´s! Wer beim Spitzenreiter der 2. Bundesliga, dem Erstligaabsteiger SC Freiburg ein 0:2 aufholt und einen Punkt erkämpft, und genau das hatten die „Löwen“ gerade getan (2:2 am selben Tag), der reist auch nicht ohne Chance zum abstiegsgefährdeten VfB.
Nach großem Kampf unterlag Eintracht dem VfB Stuttgart am Mittwoch, den 16.12.2015 mit 2:3 nach Verlängerung. Der Stuttgarter Siegtreffer fiel in der 118. Spielminute.

[Stand: Januar 2017]

Dynamo Dresden – Eintracht 3:2 (0:1)28.10.2016
11. Spieltag 2.Bundesliga – 2016/2017
11. Spieltag 2.Bundesliga – 2016/2017
Von wegen! Die Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart und Hannover 96 sollten laut Expertenmeinung in dieser Zweitliga-Saison 2016/17 die hohen Aufstiegsfavoriten sein? Davon merkte man aber trotz der weitaus größten Etats und trotz der weitaus am besten besetzten Spielerkader nach 10 Spieltagen noch nicht viel. Gut, mit den Plazierungen 4 bzw. 5 und 19 bzw. 17 Punkten lagen sie aussichtsreich im Rennen, zumal der Zweite Union Berlin (20P.) und der Dritte 1.FC Heidenheim (19P.) in Reichweite lagen, aber da gab es ja noch den Spitzenreiter mit sagenhaften 25 Punkten:
Eintracht Braunschweig !
Die „Löwen“ von der Oker hatten bisher alle 6 Heimspiele (u.a. gg 1.FC Nürnberg 6:1) und auch 2 Auswärtspartien (auf St.Pauli und in Aue) gewonnen. Nur beim VfB Stuttgart (0:2) und beim 1.FC Heidenheim (1:1) hatten sie Fell lassen müssen.
Zumindest im Moment wurde nur der BTSV seiner nicht vorhandenen Favoritenrolle gerecht. Nicht zu fassen, dass nur 4,1% der Leser des Sportmagazins „Kicker“ in der obligatorischen Umfrage kurz vor Beginn einer Saison den Blau-Gelben den direkten Aufstieg in die Bundesliga zutrauten. Damit nahm Eintracht hinter dem VfB (70,1%), 96 (43,7%), dem 1.FC Nürnberg (25,2%), St.Pauli (10,6%) und auch noch hinter dem 1.FC Kaiserslautern (10,5%), 1860 München (9,1%) und dem VfL Bochum (6,2%) nur Platz 8 ein, knapp vor Dynamo Dresden mit 4,0%. Den Dresdnern, nächster Gegner des BTSV, trauten aber gleichzeitig 12,3% der Leser (5.höchster Wert) den direkten Abstieg zu. Der „Kicker“ selbst lag mit seiner Saisonprognose dazwischen, indem er dem Aufsteiger Dynamo den Klassenerhalt prophezeite.
Der Club von der Elbe war vielversprechend in die Saison gestartet, nach 4 Partien noch ungeschlagen und mit 8 Punkten Zweiter in der Tabelle. Dann jedoch erfolgte ein Einbruch mit nur 1 Punkt aus den nächsten 4 Begegnungen, was aber den Sportdirektor der Dynamos Minge nicht besonders irritierte. In einem Interview sagte er: „Dynamo steht immer für emotionale Ausschläge. Ich denke, das Drehbuch der Saison passt zum Verein.“ Seine Kicker bestätigten ihn, indem sie am 9.Spieltag den VfB gleich einmal mit 5:0 besiegten und anschließend beim damaligen Tabellenzweiten, dem 1.FC Heidenheim ein starkes 0:0 folgen ließen. Überhaupt fiel auf, dass die Dresdner Kicker sich besonders gegen TOP-Mannschaften hochmotiviert zeigten. Denn neben den Partien gegen den VfB Stuttgart und beim 1.FC Heidenheim hatten sie auch bei Union Berlin gepunktet (2.SpT: 2:2) und auswärts 2:0 gewonnen bei … Hannover 96 (4.SpT). Mit 13 Punkten belegten die Schwarz-Gelben nun Platz 10 der Tabelle.
Herrschte also angesichts der jüngsten Entwicklung Zufriedenheit in Dresden? Wenn es denn so gewesen sein sollte, war es mit dieser Stimmung spätestens seit dem 25.Oktober vorbei. Am Abend dieses Tages verlor Dynamo sein DFB-Pokalspiel der 2.Runde gegen Arminia Bielefeld, den Tabellenvorletzten der 2.Bundesliga (5P; noch ohne Sieg) trotz haushoher Überlegenheit mit 0:1 -- eine Niederlage, die alle Dresdner Spieler zweifellos mächtig ärgerte, die aber angesichts ihrer spielerischen Überlegenheit in den letzten drei Spielen (einschl. Heidenheim) nicht viel von dem neu gewonnenen Selbstbewusstsein gekostet haben sollte.
Wieweit es mit dem Selbstbewusstsein tatsächlich her war, würde Eintracht drei Tage später, also am Freitag, den 28.10.2016, in Dresden erfahren.
In Braunschweig war man auch abseits des eigenen Spielgeschehens überaus zufrieden. Löwenbändiger Torsten Lieberknecht hatte seinen Vertrag (nach dem 8.SpT) am 5.Oktober auf einer Fanversammlung zur Freude nahezu aller Anhänger bis 2020 verlängert. Er erklärte, „total Bock auf Eintracht zu haben“. Manager Marc Arnold sagte dazu: „Torsten ist das Gesicht der Eintracht geworden. Die Erfolge sprechen für sich.“ Wie wahr, wie wahr! Manchmal wünschte man sich, dass sich auch andere Offizielle des Vereins um bestimmte Aufgaben und Vertretung nach außen kümmern würden. Aber nein, fast alles blieb an Lieberknecht hängen.
Amüsiert nahm der gemeine Eintracht-Fan natürlich auch die Entwicklung bei 95+1 zur Kenntnis. Abgesehen davon, dass man den Kickern aus der sog. Landeshauptstadt sowieso in Braunschweig nicht wohlgesonnen war, erntete deren Präsident Martin Kind bundesweit bei allen Traditionalisten wegen seiner Anschauungen zum Fußball (50+1 Verbot muss weg; Prämium-Ware Bundesliga) enormen Widerspruch. Insofern gönnte man es besonders ihm, der in kaum zu übertreffender Arroganz (~20.7.) „einen möglichst deutlichen und überzeugenden Wiederaufstieg“ gefordert hatte, die Negativ-Schlagzeilen in der Presse. Nach dem 10.Spieltag, an dem die „Roten“ beim 1.FC Nürnberg 0:2 verloren hatten, titelte beispielsweise der „Kicker“ (24.10.): „Kinds Horrorszenario wird nun zur Realität“.
Beseelt von der Aussage von Lieberknecht „Wir wollen die nächste Niederlage … so lange wie möglich aufschieben“ machten sich knapp 3.000 Blaugelb-Infizierte am Spieltag auf den Weg, um Eintracht in Dresden zu unterstützen. Wohlgemerkt – an einem normalen Wochentag!
Trainer Lieberknecht musste weiterhin auf Abdullahi, Biada (seit 12.10.), Ofosu-Ayeh, den Ex-Dresdner Moll (5.GK) und kurzfristig auch auf Nyman verzichten und bot daher Fejzic – Correia, Decarli, Valsvik, Reichel – Omladic, Schönfeld, Boland, Khelifi – Kumbela, Hernandez auf. Fanliebling Mirko Boland, der in der aktuellen Spielzeit zuvor – für ihn ungewohnt -- nur einmal in der Startformation stand, durfte also ´mal wieder von Anfang an spielen.
Dynamo hatte zwar nach dem Aufstieg vom Stammpersonal außer Hefele (England) und Moll (BTSV) seinen TOP-Torjäger den Ex-Löwen Justin Eilers (Werder) ablösefrei ziehen lassen müssen, besaß aber in Testroet und Kutschke weitere gefährliche Angreifer. Aufstiegs-Trainer Neuhaus, der vor seinem Engagement in Dresden (seit Sommer 2015) sieben Jahre erfolgreich bei Union Berlin gecoacht hatte (und später, 2020, Arminia Bielefeld zum Aufstieg in die Bundesliga verhelfen sollte) entschied sich, mit einem Stoßstürmer zu beginnen, vertraute diese Position Kutschke an und verzichtete zunächst auf Testroet. Mit „Lumpi“ Lambertz und Neuzugang Gogia (FC Brentford) standen weitere bekannte Akteure in Dynamos Startelf.
Bedingt durch den hohen Zuschauerandrang (29.097, fast ausverkauft) pfiff Schiedsrichter Daniel Siebert aus Berlin die Partie 15 Minuten später als geplant (18.30 Uhr) an. Dynamo versuchte gleich, die Initiative an sich zu reißen, blieb aber ungefährlich. Ganz anders die Löwen, die an diesem Frühabend in hellblauen Hosen und dunkelblauen Hemden aufliefen! In der 10.Minute zog Boland aus der Distanz ab. Der Ball wurde abgefälscht und landete irgendwie am 5m-Raum, wo Kumbela ihn erreichte. Schuss – Latte! Den Abpraller köpfte Hernandez ins Tor: 0:1 ! Der Eintracht-Anhang in Block S oder wo auch immer jubelte und lag sich in den Armen. Ausgerechnet Hernández, der vom VfL Radkappe doch eigentlich nur als Ergänzungsspieler gekommen war und nun schon sein 3.Tor erzielt hatte, im schon 11.Einsatz! Die Lokalzeitung „neue braunschweiger“ hatte schon Recht, wenn sie in ihrer (vor dem Spiel gedruckten) Ausgabe vom 29.10.2016 bei Bewertung der Neuzugänge titelte „Hernández ist die Entdeckung“.
Dynamo brauchte lediglich fünf Minuten, um sich von dem Schock zu erholen. Dann bestimmten die Gastgeber wieder das Spiel und erspielten sich auch Chancen. Bei den Schüssen von Gogia (17.), Kutschke (24.) und Lambertz (37.) drohte nicht wirklich Gefahr, aber bei denen von Hauptmann (knapp vorbei, 20.) und Hartmann (genau auf Fejzic, 29.) hatten die Blaugelben schon Glück. Von ihnen kam offensiv in Halbzeit 1 nichts mehr. Pause!
Der zweite Durchgang begann, wie es der erste vermuten ließ – mit einem geblockten Dynamo-Schuss. Allerdings wirkte Eintracht jetzt aktiver. Und das sollte sich schnell auszahlen! In der 52.Minute eroberte Schönfeld den Ball, passte sofort auf Kumbela auf halb rechts. Flachschuss ins lange Eck, Tor! 0:2! Die Fans in den schönsten Farben der Welt feierten und skandierten „Spitzenreiter, Spitzenreiter“.
Zwei Minuten später zeigte Fejzic dann ungewohnte Schwächen, die Decarli aber ausbügelte, danach kam von Dynamo nichts mehr. Die Löwen übernahmen auf den Rängen lautstark und auf dem Platz spielstark das Kommando und hätte die Führung noch ausbauen können, ja müssen (65.). Dresden wirkte mausetot! Auch die Wechsel Zuck für Khelifi und Testroet für Lambertz (60.) hatten nichts geändert. Nach 10 Punkten aus den letzten 4 Spielen (Heimsiege gegen Düsseldorf, Kaiserslautern, Fürth; Auswärtspunkt in Heidenheim) schienen die nächsten 3 Punkte nur eine Frage von gut 20 Minuten zu sein. Was sollte da noch schiefgehen?
´Ne Menge!
Kurz nachdem die Dresdner noch ihre Hilflosigkeit durch ein Missverständnis zum Ausdruck gebracht hatten (68.), erhielt Kutschke von einem Mitspieler den Ball am 11m-Punkt. Er war von Eintrachts Abwehrspielern sträflich alleingelassen worden und ließ sich die Chance nicht entgehen (69.). 1:2! Das Heimpublikum erwachte wieder. Und wäre keine 60 Sekunden später fast wieder jäh verstummt, wenn nach der 3.Ecke für die Blaugelben Valsvik die gute Kopfballchance genutzt hätte. Der Kopfball ging jedoch knapp über das Tor und Dynamo lebte weiter. Und seine Fans auf den Rängen pushten das Team, „was das Zeug hielt“. In Minute 74 erhielten die Gastgeber ihrerseits eine Ecke (2.). Der Ball wurde vom ausführenden Spieler auf den kurzen Pfosten geschlagen. Da dort kein Abnehmer positioniert war, musste Fejzic das Leder rausboxen. Die Rettungsaktion geriet zu kurz und Kutschke kam 7m vor dem Tor an den Ball. Er traf ihn nicht richtig, trotzdem kullerte das Spielgerät an Freund und Feind vorbei ins Netz. 2:2! Was jetzt auf den Rängen losbrach, wird mit der Bezeichnung (Stimmungs-) Orkan noch unzureichend beschrieben. Viele unter den blaugelben Auswärtsfahrern dürften eine solche Stimmung von einem gegnerischen Heimpublikum noch nie erlebt haben. Und vermutlich auch nie mehr erleben. Jedenfalls peitschten die schwarz-gelben Fans ihre Mannschaft jetzt nach Vorn. Vom Support der Eintracht-Fans war nichts mehr zu hören, obwohl sie sich weiterhin nach Kräften bemühten.
Vermeintlich unbeeindruckt vom Spielverlauf und des explodierenden Stadions versuchten die Löwen auf dem Rasen, Druck zu machen. Fast wären sie dafür schon drei Minuten später bestraft worden, aber Fejzic vereitelte die Führung durch den im Rahmen eines Konters frei vor ihm auftauchenden Testroet. Danach schien sich die mutige Spielweise vom BTSV doch noch auszuzahlen. Hernández wurde auf der halblinken Seite freigespielt und hatte lediglich Torwart Schwäbe noch vor sich, der jedoch klug den Winkel verkürzte (79.). So sprang außer der 4.Ecke für Eintracht nichts heraus.
Dynamo machte es besser. Als wieder einmal die Löwen fast geschlossen angegriffen hatten, starteten die Gastgeber über Gogia und Testroet einen Gegenangriff. Testroet sah sich dabei auf Eintrachts rechter Abwehrseite nur freiem Raum, aber keinem Abwehrspieler gegenüber. Pass auf den am 5m-Raum lauernden Mitspieler – Schuss – 3:2 (81.)! Natürlich hieß der Torschütze wieder Kutschke! Ohrenbetäubender Jubel!
Kutschke, Kutschke, Kutschke !!! – Hattrick!
Im weiteren Verlauf der Partie passierte nicht mehr viel. Eintracht kam noch zu seiner 5.Ecke, die nicht einbrachte (85.), und Kutschke holte sich „Standing Ovations“ bei seiner Auswechslung ab (87.). Nach 92 Minuten ertönte der Schlusspfiff. 3:2!
Eintracht hatte nach 2.:0-Führung bis zur 68.Spielminute noch 2:3 verloren. 13 Minuten hatten ausgereicht, aus einem sicheren 2:0-Sieg eine 2:3-Niederlage zu machen. Im Gäste-Block schüttelten viele Fans den Kopf und konnten es nicht fassen. Es fühlte sich ein bisschen so an wie das Trauma „Nürnberg 22.2.2014“ (1:2 nach 1:0-Führung mit einem Spieler mehr, 2 verschossene 11er). Nur manche unter ihnen konnten sich überhaupt an eine Begegnung erinnern, wo die Löwen eine 2:0-Führung noch verspielt und verloren hatten. War das letzte Mal nicht so etwas in der Regionalliga in Lübeck geschehen? Ende der 90er Jahre in der „Hannoi-Saison“? -- Richtig! Das letzte Mal, das Eintracht eine 2:0-Führung in einer wichtigen Partie verspielte und noch verlor, war am 12.Spieltag der Saison 1997/98 beim VfB Lübeck gewesen. Die bis dahin ungeschlagenen Löwen gerieten trotz 2:0-Pausenführung noch auf die Verliererstraße (Endstand: auch 2:3) und büßten damit Punkte im Fernduell mit Hannover 96 ein, das die „Roten“ seiner Zeit knapp für sich entschieden. -- Parallelen zur Spielzeit 2016/17? Ach woher! Auch wenn 95+1 seine Partie gegen den Aufsteiger Würzburger Kickers noch am Sonntag gewinnen sollte, wären sie noch 5 Punkte zurück. Außerdem konnten die Blaugelben die Verhältnisse schon 9 Tage später zu ihren Gunsten „gerade rücken“, denn am nächsten Spieltag stand das Derby zuhause an.
Während sich die Fanschar traurig langsam auf die Heimreise machte, saß Trainer Lieberknecht noch in der Pressekonferenz. Er beglückwünschte Dresden zunächst für eine „wahnsinnige Energieleistung“ und stellte dann fest: „Das Stadion kam nach dem Anschlusstor zurück… Meine Mannschaft war gierig auf weitere Tore, dabei ging die Ordnung verloren.“ Er schloss mit den Worten „Bitterer Abend!“. Dynamo-Trainer Neuhaus resümierte „Wenn das 0:3 fällt, ist das Spiel durch… Mit Hilfe der Zuschauer hat meine Mannschaft eine Energieleistung vollbracht, die viele für unmöglich gehalten haben“. Er sprach weiter von einer „unfassbaren Stimmung“ und von einer Dynamo-„Gemeinschaft, wo man einfach Gänsehaut kriegt, wenn man nur dran denkt“. Im Rahmen einer Nachfrage sagte Löwen-Dompteur Lieberknecht dann noch etwas zur Anfeuerung durch den eigenen Anhang. Er fand „unsere Fans sensationell“.
Am nächsten Tag, dem Samstag, verlor Union Berlin sein Heimspiel gegen die Düsseldorfer Fortuna mit 0:1. Auch ein Sonntagsspiel lief gut für den BTSV: VfL Bochum gegen den 1.FC Heidenheim, Endergebnis 2:1. Ärgerlich aus Sicht aller, die den Löwen im Herzen trugen, waren allerdings die 3:1-Erfolge des VfB Stuttgart beim KSC und der „Roten“ zuhause. Damit übernahmen der VfB und Hannover die Plätze 2 und 3 der Tabelle.
[Stand: April 2021]