6. Februar
Bürgerbefragung zum Stadionausbau06.02.2011
65.301 Braunschweiger Bürger stimmten ab !
Nachdem der damalige Manager Wolfgang Loos zu Beginn der Saison 2003/04 darauf hinwies, dass das Eintracht-Stadion nicht mehr zeitgemäß wäre, äußerte sich Präsident Glogowski Mitte Dezember 2004 entsprechend. Er sagte: „Unser Umfeld ist zweitligareif, aber die Bedingungen im Stadion nicht konkurrenzfähig. Auch deshalb, weil die für den Verein äußerst lukrativen Logen für Geschäftspartner fehlen.“ Die Pläne für den Ausbau der Tribüne und Nordkurve würden bereits vorliegen. Kosten: 5 Millionen Euro. Mit dieser Äußerung fiel der Startschuss für eine Diskussion, die die Braunschweiger Bevölkerung nun über 6 Jahre – mal mehr, mal weniger intensiv – begleiten sollte.
Nach dem Aufstieg in die 2.Liga galt der Ausbau durch die Stadt Anfang Juni 2005 als sicher. Die Finanzierung war zwar ungeklärt, aber der Umfang stand fest: Logen sowie Ausbau und Überdachung Nordkurve, Kosten: bis 18 Millionen € (!). Als 1.Schritt sollten 22 (bzw. 12) Logen und Businessplätze realisiert werden, anschließend sollte die Überdachung der Nordkurve erfolgen. Bei den politischen Parteien bestand breiter Konsens für die Maßnahmen. Möglicherweise erhofften sich Einzelne von dem Einstieg von „Krombacher“ beim BTSV, der damals erfolgte, (finanziell) Einiges.
Nachdem zwischenzeitlich eine „Gruppe“ mit der Planung eines gänzlich neuen Stadions (Standort: Rautheim; Kosten 55 Mio.) Unruhe in die Diskussion brachte, die OB Hoffmann als „nicht finanzierbar“ nach 2 Monaten beendete, beschloss der Verwaltungsausschuss der Stadt am 21.3.2006 nach diversen Gesprächen Folgendes: Zunächst sollte der Einbau einer Rasenheizung erfolgen, dann ab Februar 2007 der Ausbau der Funktionsräume (Geschäftsstelle) sowie der Umbau der Tribüne zu 10 Logen und 1.000 Business-Seats und der Bau der Stadiongaststätte. Gesamtkosten:12,8 Millionen €, wovon die Stadt 9 Mio. übernehmen wollte. Einig waren sich beide Seiten, dass es nicht zum Umbau zur reinen Fußball-Arena (Wegfall der Laufbahn) kommt. Um den 20.Juni erklärte OB Hoffmann, dass entgegen ursprünglicher Planung (VA-Beschluss) nun doch die Nordkurve mitgemacht werden sollte (10.000 Plätze). Ende Juli war die Rasenheizung installiert und die endgültigen Pläne (von Schulitz + Partner) für den Umbau lagen vor. Der Abbau der Rampe war damit festgeschrieben. Der Beginn der Maßnahmen wurde weiterhin für Februar 2007 als realistisch angesehen.
In den folgenden Monaten trat eine Verzögerung ein, weil der BTSV seine Fähigkeit, seinen finanziellen Anteil zu erbringen, nicht nachweisen konnte. Die sportliche Entwicklung tat ein Übriges (drohender Abstieg, der dann auch eintrat). Nachdem es auch im Folgenden nicht gelang, die Finanzierung zu sichern, stand im Juli 2007 so gut wie fest: Der Stadionausbau erfolgt nur bei einer guten sportlichen Entwicklung, bei umgehender Ausgliederung und wenn der BTSV seinen finanziellen Anteil stemmen kann. Das „Aus“ für den Stadionausbau kam dann Ende November 2007. – Vorerst! Die Parteien CDU und FDP wollten das Geld nun für andere Zwecke verwenden.
Nach der so dramatischen Qualifikation für die neu geschaffene 3.Liga trat (erwartungsgemäß) schon ein halbes Jahr danach ein Sinneswandel ein. OB Hoffmann ergriff die Initiative, sodass die „Braunschweiger Zeitung“ am 3.8.2008 titelte: „Beim Ausbau des Eintracht-Stadions wird geklotzt und nicht gekleckert“. Der Ausbau sollte jetzt einschließlich Nordkurve erfolgen und 15 Millionen € kosten. Schon drei Tage später wurden die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt: Der Ausbau des „Eintracht-Stadions“, das dank der Bereitschaft von Sponsoren seinen Namen für die nächsten Jahre behalten durfte, umfasst 18 Logen, Bau des Kubus sowie Ausbau und Überdachung der Nordkurve. OB Hoffmann, dessen Partei das Projekt noch 6 Monate zuvor gestoppt hatte, erklärte vollmündig: „Wenn wir mindestens gesichert in der Spitzengruppe der 3.Liga sein und natürlich auch das Ziel, Aufstieg in die 2.Liga ins Auge fassen wollen, gehört ein modernes und auch etwas größeres Stadion einfach zu den Voraussetzungen.“ Für die Pläne waren CDU, SPD und – mit sportlichen Einschränkungen – FDP, dagegen waren die Grünen, grundsätzlich auch die BiBS und in Teilen (gegen VIP-Logen) die Linke.
Nach diversen (stadtinternen und natürlich mit dem BTSV unter der neuen Führung Ebel/Ottinger geführten) Gesprächen und Diskussionen sah die Planung Anfang November 2008 von den politischen Gremien der Stadt so aus:
-- Gesamtkosten 27,5 Millionen €, Anteil Stadt 21 Millionen
-- 1.Bauphase (Sommer 2009): Ausbau und Überdachung der Nordkurve auf 3.500 Sitz- und 1.800 Stehplätze; Kosten 7,1 Mio.
-- 2.Bauphase: Kubus-Bau, von 4 Mio. auf 2,6 Mio. abgespeckte Version; vom BTSV zu
finanzieren
-- 3.Bauphase: Ausbau Tribüne, Abriss Rampe; Kosten 17,7 Mio.
Die erste Bauphase beschloss der Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung vom 18./19.11.2008 gegen die Stimmen der Grünen und BiBS. Der Rat zog nach.
Noch lange, bevor in der Nordkurve der erste Spatenstich (22.7.2009) erfolgte, geriet der Tribünenausbau wieder in Gefahr. Grund: die angespannte Finanzsituation der Stadt. Durch die Bankenkrise drohten Mindereinnahmen an Gewerbesteuer von 30 Mio. €! Die FDP, die bisher mit der CDU (wie auch die SPD) hinter allen Plänen stand, scherte bereits Ende April 2009 aus. Um den 20.Juni beendete OB Hoffmann die Diskussion, indem er bekanntgab, dass nur noch Sanierungsmaßnahmen auf der Tribüne durchgeführt würden. Der Tribünenausbau würde im Übrigen nicht erfolgen. Zwar wäre u.U. noch eine Mehrheit dafür (mit der SPD) vorhanden, aber von wechselten Mehrheiten hielt OB Hoffmann nichts.
Obwohl zwischenzeitlich auch der Nordkurvenausbau diskutiert wurde (Grünen; Eintracht: Geld stattdessen besser für NLZ), dass sogar ein erneuter Ratsbeschluss erforderlich wurde (23.6.09), erfolgte planmäßig der Beginn des Nordkurvenausbaus am 22.7.09. Die Einweihung der fertiggestellten, nun komplett überdachten Nordkurve konnte schließlich am 9.7.2010 mit dem Freundschaftsspiel gegen Schalke 04 (2:1) vorgenommen werden.
Aufgrund der sportlichen Erfolge der Mannschaft kamen die beiden großen Parteien im Rat CDU und SPD im April 2010 überein, sofort wieder über den Tribünenausbau reden zu wollen, wenn der Aufstieg gelänge. Er gelang (haarscharf) nicht, die Diskussion setzte dennoch Ende Oktober 2010 ein. Praktisch zeitgleich, als der Verein das Kellergeschoss unter der Tribüne bezog (Entkernung=Stadt: Inneneinrichtung der Kabinen, Funktionsräume, Toiletten=Eintracht), tauchte erstmalig „Bürgerbefragung“ neben den üblichen Begriffen wie zB: „Haushaltslage“ auf. Und tatsächlich! Am 16.11.2010 beschloss der Rat einstimmig (!), über den Tribünenausbau die Braunschweiger Bürger im Rahmen einer Bürgerbefragung am 6.Februar 2011 abstimmen zu lassen (Kosten: 150.000 €). Das Ergebnis sollte für die Verwaltung bindend sein.
Die 2 ½ Monate bis zur entscheidenden Abstimmung waren geprägt von diversen Informationsveranstaltungen, Fan-Aktionen, jeder Menge Leserbriefe in den Lokalmedien und genauso viel politischen Äußerungen der gewählten Volksvertreter. Apropos politische Parteien: CDU, SPD und FDP waren für die Investition der 14,5Mio. €, Grüne, BiBS und Linke dagegen. Mehr als 13.000 Bürger hatten Briefwahlunterlagen angefordert.
Dann kam der Wahltag. Die 169 Abstimmungslokale hatten von 8 bis 18 Uhr geöffnet, mehr als 1.000 Helfer waren im Einsatz. Um 19.54 Uhr lag das Abstimmungsergebnis vor.32,9% der Wahlberechtigten hatten abgestimmt … und sich mit 39.247 (60,3%) zu 26.054 (39,7%) für den Ausbau der Tribüne entschieden. Jubel brandete im Großen Sitzungssaal des Rathausaltbaus auf, der ab 19 Uhr geöffnet war und im Laufe des Abends immer voller wurde
Pünktlich zur Bundesliga-Saison 2013/14 war der Umbau der Tribüne im Wesentlichen abgeschlossen (mit 20 VIP-Logen). Auch der Kubus stand fertig am Eingang zur Nordkurve. Der BTSV hatte die finanziellen Mittel hierfür schon frühzeitig bereitgestellt.
Wie wäre die Abstimmung wohl ausgegangen, wenn das Team unter Trainer Torsten Lieberknecht nicht so große sportliche Erfolge erzielt hätte? – Man weiß es nicht!

[erstellt: Juli 2022]